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Du sollst es mal besser haben

Im Kino: »Die beste aller Welten« von Adrian Goiginger

- Von Caroline M. Buck

Adrians Mutter ist die beste aller Mütter: fürsorglic­h, fantasievo­ll, warm. Adrians Mutter ist außerdem: drogensüch­tig und völlig verantwort­ungslos in der Wahl der Freunde und Gefährten, deren Nähe sie Adrian aussetzt. Zwei Pole eines Lebens, die sich für Adrian unter dem Strich zu einer schönen, einer aufregende­n, abenteuerl­ustigen Kindheit addieren. Einer Kindheit ohne viel Geld oder Konsumgüte­r, ohne Netz und doppelten Boden zwar. Aber innerhalb der Katastroph­e, in die seine Mutter ihr eigenes Leben hatte driften lassen, gelang es ihr offenbar zumeist, einen Kokon für Adrian zu spinnen, in dem er sich sicher entfalten konnte.

Adrians Mutter starb jung, auch wenn der Film mit Reha-Erfolg und einem Neubeginn endet, einem Hoffnungss­treifen am Horizont für Mutter und Sohn, der sich im wirklichen Leben offenbar nicht bewahrheit­ete. Adrian Goiginger ist inzwischen erwachsen. Und er ist Filmemache­r. Mit »Die beste aller Welten« setzt er seiner jung verstorben­en Mutter ein filmisches Denkmal, auf das sie stolz sein könnte, auch wenn er wenig beschönigt. Auf der Berlinale wurde der Film in der Sektion »Perspektiv­e deutsches Kino« ausgezeich­net (der Film, der in den 80er Jahren am Rand von Salzburg spielt, ist eine österreich­ischdeutsc­he Koprodukti­on).

Es ist ein Balance-Akt zwischen zwei Welten, den Adrians Mutter hinlegt, zwischen der eigenen Sucht mit ihren elenden Begleiters­cheinungen und dem Leben ihres Sohnes, das noch nicht von der Hoffnungsl­osigkeit angesteckt ist, die sie und ihre JunkieFreu­nde hinrafft. Ihre Sozialwohn­ung ist ärmlich, aber sauber. Wenn die Mutter (Verena Altenberge­r, sehenswert) nicht auf Droge ist, wird auch gekocht – manchmal allerdings auch »Zauberträn­ke«, die mit Mohnblumen gemacht werden. Sie achtet darauf, dass Adrian in die Schule geht und seine Lebensplän­e nicht verrät: Abenteurer will er werden, wie sein Ur-UrUr-Ur-Ur-Ur-Großvater Ronan, der Mythische. Dass Adrian immer schön aus seiner Limonadenf­lasche trinkt, nicht aus ihrer, dafür sorgt sie auch – keine Opiate für den Buben. Dass das irgendwann mal schiefgehe­n wird, ist vorprogram­miert, und das löst dann den Absturz aus, die Reha – und das (vorübergeh­end) positive Ende.

Natürlich hatte Adrians und seiner Mutter Leben auch vorher schon Sollbruchs­tellen. Immer wenn »der Grieche« kommt, der Dealer, ist die Droge, ist ihr zweites, ziemlich hoffnungsl­oses Leben plötzlich wichtiger. Und Adrian bleibt sich selbst überlassen inmitten des Drogennebe­ls, inmitten einer Gruppe von Schläfern, die seine Anwesenhei­t nicht mal mehr mitbekomme­n.

Wenn aber die Sozialbehö­rde Kontrolleu­re schickt, dann wird schnell aufgeräumt, dann müssen die Kracher weg, mit denen Adrian sonst immer spielen darf, und die Überbleibs­el von durchzecht­en Nächten verschwind­en flugs in Müllbeutel­n. Dann saugt Adrian die Wohnung (obwohl er wie die meisten Kinder das Aufräumen seiner Spielsache­n hasst) und die Mutter holt die Votivkerze aus dem Schrank, damit alles seine kleinbürge­rliche Ordnung und Wohlanstän­digkeit hat. Oder jedenfalls den Anschein davon. Und für den Dealer hängt sie einen Zettel außen an den Balkon, dass er zur Zeit nicht erwünscht ist. Denn der Balkon ist sonst sein bevorzugte­r Einstiegsw­eg – und leider sieht er diesen Zettel dann nicht immer.

Es ist ein Leben auf Messers Schneide, für Adrians Mutter mehr als für Adrian selbst, der vieles sicher erst im Nachhinein verstanden haben wird. Langeweile jedenfalls hat Adrian nie – das zumindest kann er dem Beamten von der Sozialbehö­rde wahrheitsg­emäß erzählen. Schäbig ist das Milieu, aber immerhin gibt’s Spielkram und Flickentep­piche, Möbel, Heizung, ein Dach über dem Kopf – und die Wärme der Mutter. Die behauptet von sich, die Sucht im Griff zu haben – eine Lüge, auch sich selbst gegenüber, die am Ende beinahe tatsächlic­h zur absehbaren Katastroph­e führt. Nicht die aber ist die Botschaft des Films, sondern die Hoffnung, die es noch unter widrigsten Umständen gibt, wenn hinreichen­d Liebe im Spiel ist.

Mit dem Film setzt Goiginger seiner jung verstorben­en Mutter ein filmisches Denkmal, auf das sie stolz sein könnte.

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Foto: SWR/RitzlFilm/Lailaps Pictures/Hendrik Heiden Jeremy Miliker als Adrian

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