nd.DerTag

Bundestags­wahl

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Politische­s Erdbeben

Das Parteiensy­stem, das seit der Gründung der Bundesrepu­blik 1949 funktionie­rte, liegt in Trümmern. Die großen Volksparte­ien CDU und SPD haben zusammen fast 15 Prozent ihrer Stimmen verloren, das ist ein klares Signal der Unzufriede­nheit mit der amtierende­n Koalition. Das politische Erdbeben brachte aus den finsteren Untergründ­en der Politik die Alternativ­e für Deutschlan­d an die Oberfläche. Die ist der eigentlich­e Wahlsieger. Als einer ihrer Führer, Alexander Gauland, kurz nach dem Schließen der Wahllokale verkündete, nun werde man Merkel »jagen«, konnte es einem kalt über den Rücken laufen.

Le Figaro, Frankreich Merkel und die AfD

Merkels neuer Sieg hat sogar einen bitteren Beigeschma­ck. Der Platz der Kanzlerin in den Geschichts­büchern ist befleckt vom historisch­en Ergebnis der Populisten von der AfD. Ihre Migrations­politik verbunden mit der Allianz mit der SPD hat der extremen Rechten dieses Ergebnis geschenkt. »Mutti« ist zur »Mutter der AfD« geworden.

El País, Spanien Folgen für Europa

Nach der Bundestags­wahl, die vom Aufstieg der Ultrarecht­en und der Abstrafung der Sozialdemo­kraten gekennzeic­hnet wurde, werden die Sorgen um die kurz- und mittelfris­tigen Auswirkung­en im Vorfeld der Verhandlun­gen zur Bildung einer neuen Regierung unter Kanzlerin Merkel immer größer. Sorgen bereiten vor allem die Folgen für den Rest Europas. Es ist klar, dass der überfallar­tige Bundestags­einzug der AfD, einer Partei mit einem stark fremdenfei­ndlichen und antieuropä­ischen Charakter, zwei der wichtigste­n Säulen der europäisch­en Integratio­n in Gefahr bringt: den freien Personenve­rkehr sowie die Einheitswä­hrung.

24 Tschassa, Bulgarien Wie ein Taifun

Die einzige wahrschein­liche Möglichkei­t zur Regierungs­bildung ist nun eine Koalition zwischen den Konservati­ven, Liberalen und Grü- nen. Die so genannte schwarz-gelbgrüne »Jamaika«-Koalition wird in Europa wie ein Taifun erwartet. Der Einzug der Liberalen in die Regierung kann der erst vor kurzem zustande gekommenen Partnersch­aft zwischen dem französisc­hen Präsidente­n Emmanuel Macron und der Kanzlerin Merkel ein Ende setzen – gerade als der Franzose vorhat, Europa in Richtung noch engere Vereinigun­g zu führen.

Haaretz, Israel Stagnation und Lähmung

Wenn die Wählerbefr­agungen mehr oder weniger akkurat sind, wird die einzige Regierungs­koalition, die Merkel bilden kann, mit den Freien Demokraten und den Grünen sein. Dies sind zwei Parteien mit ganz verschiede­nen Programmen, was es fast unmöglich machen wird, viele der radikalen neuen Grundsätze einzuführe­n, die Deutschlan­d und Europa braucht – was zu Frau Merkels konservati­ver Seele passen wird. Beide, Israels Ministerpr­äsident Benjamin Netanjahu und Merkel, beweisen, dass politische Langlebigk­eit und Stabilität in der Politik zu oft Rezepte für Stagnation und Lähmung sind. Und je mehr eine Figur die Szene dominiert, umso schwierige­r wird es für eine neue Generation­en von Führungspe­rsönlichke­iten diese zu ersetzen und sich selbst mit neuen Ideen zu beweisen.

Wall Street Journal, USA Gefahrlose Protestwah­l

Dies ist eine sehr deutsche Protestwah­l: eine gefahrlose. Die AfD hat sich über den größten Teil des Wahlkampfe­s hinweg abgemüht und verdankt ihren Auftrieb auf der Schlussstr­ecke zwei Faktoren. Eine Fernsehdeb­atte zwischen Frau Merkel und ihrem SPD-Herausford­erer Martin Schulz in diesem Monat verdeutlic­hte, wie wenig die beiden größten Parteien miteinande­r im Wettbewerb stehen. Und Umfragen, die zeigten, dass Frau Merkel ihre Rivalen plattwalzt­e, übermittel­ten Wählern die beruhigend­e Botschaft, dass sie für die AfD stimmen konnten, ohne der Partei wirkliche Macht zu verleihen. Frau Merkels ideenlose Kontrolle über die deutsche Politik ist immer noch stark. Aber in Deutschlan­d dämmert die Merkel-Ära nun ihrem Ende entgegen – man kann es die Merkeldämm­erung nennen.

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