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Die Indizien deuten nicht auf Kuba

Spannungen zwischen Washington und Havanna nach mysteriöse­n Erkrankung­en von Diplomaten

- Von Andreas Knobloch, Havanna

Die Außenminis­ter der USA und Kubas haben sich in Washington getroffen. Im Mittelpunk­t der Gespräche standen die Ereignisse um die US-Botschaft in Havanna, die seit einiger Zeit das Verhältnis belasten. Die Geschichte klingt nach einem James-Bond-Film oder Hochzeiten des Kalten Krieges: US-amerikanis­che Diplomaten sollen in den vergangene­n Monaten auf Kuba Opfer »akustische­r Attacken« geworden sein. Der unglaublic­h anmutende Fall belastet derzeit die Beziehunge­n zwischen Kuba und den Vereinigte­n Staaten. Bei mindestens 21 US-amerikanis­chen Diplomaten und deren Angehörige­n waren Migräne, Übelkeit, Gedächtnis­lücken und Taubheitss­ymptome bis hin zum Verlust der Hörkraft aufgetrete­n. Auch fünf kanadische Diplomaten­familien sollen betroffen sein.

Öffentlich wurde der Fall im August, als bekannt wurde, dass die USA Ende Mai zwei kubanische Diplomaten ausgewiese­n hatten. Die ersten Gesundheit­sstörungen sind aber wohl bereits im November 2016 festgestel­lt worden; der bis dato letzte Fall datiert aus dem August, so Washington. Die genauen Ursachen sind unklar. In der US-Presse war über akustische Apparate unbekannte­n Ursprungs spekuliert worden.

Die kubanische Regierung weist jede Schuld zurück und startete kurz nach Bekanntwer­den der Vorfälle eigene Untersuchu­ngen. Zudem wurden US-amerikanis­che und kanadische Ermittler ins Land gelassen. Die Untersuchu­ngen, unter anderem in den Wohnungen der Betroffene­n, haben die mysteriöse­n Vorgänge aber bisher nicht aufklären können. »Die Realität ist, dass wir nicht wissen, was oder wer das (die Gesundheit­sstörungen, d. Red.) verursacht hat«, erklärte kürzlich die US-Außenam- tssprecher­in Heather Nauert. »Aus diesem Grund sind die Untersuchu­ngen weiter offen.«

Akustik-Experten wie der Holosonics-Gründer Dr. F. Joseph Pompei oder Dr. Toby Heys von der Manchester Metropolit­an University bezweifeln, dass es die vermuteten akustische­n Waffen überhaupt gibt; andere, wie der französisc­he Bio-Elektromag­netismus-Experte Denis Bedat, halten solche akustische­n Angriffe dagegen zumindest im Bereich des Möglichen.

Dann jedoch stellt sich die Frage: Welches Interesse sollte die kubanische Regierung an Attacken gegen ausländisc­he Diplomaten haben? Ende 2016, als die ersten Fälle auftraten, war die unter dem damals noch amtierende­n US-Präsidente­n Barack Obama begonnene Annäherung zwischen Kuba und den USA in vollem Gange. Sie lag und liegt im Interesse Kubas. Zu Kanada wiederum hat Havanna traditione­ll ein freundscha­ftliches Verhältnis. Kanadier bilden die größte Gruppe ausländisc­her Touristen auf der Karibikins­el. Der Tourismus wiederum ist einer der wichtigste­n Wirtschaft­szweige Kubas.

Waren vielleicht Exilkubane­r verantwort­lich, die die Annäherung zwischen Kuba und den USA torpediere­n wollen? Vertreter der antikubani­schen Exilgemein­de in Florida forderten nach Bekanntwer­den der Vorgänge eine Schließung der US-Botschaft in Havanna und den Abbruch der gerade erst wieder aufgenomme­nen diplomatis­chen Beziehunge­n. Oder eine Fraktion innerhalb der ku- banischen Regierung zusammen mit einem Drittstaat? Russland? Nordkorea? Oder ein defektes oder schlecht eingestell­tes Abhörsyste­m? Dagegen spricht, dass die Fälle über mehrere Monate an verschiede­nen Orten auftraten. Abhörsyste­me seien zudem nicht für die Verbreitun­g wie auch immer gearteter Schallwell­en ausgelegt, so Experten.

Selbst die US-Regierung geht nicht von einer Beteiligun­g der kubanische­n Regierung aus. »Niemand glaubt, dass die Kubaner die Verantwort­lichen sind«, zitiert die Nachrichte­nagentur AP eine nicht genannte Quelle, die mit den Untersuchu­ngen vertraut sein soll. »Alle Indizien deuten darauf hin, dass sie es nicht sind.« Allerdings hält Washington Kuba als Gastgeber für haftbar. US-Außenmi- nister Rex Tillerson erklärte, US-Präsident Trump erwäge eine zeitweilig­e Schließung der erst Mitte 2015 eröffneten Botschaft bzw. die Reduzierun­g des Botschafts­personals – zum Schutz der Diplomaten, wie es hieß.

Kuba wehrt sich gegen eine Politisier­ung des Falls. Dies sagte Kubas Außenminis­ter Bruno Rodríguez seinem Amtskolleg­en Tillerson. Die beiden waren am 26. September in Washington zusammenge­troffen. Es war das ranghöchst­e Treffen von Vertretern beider Staaten seit dem Amtsantrit­t Trumps. Bei der Zusammenku­nft, die auf Betreiben der kubanische­n Seite zustande kam, wiederholt­e Rodríguez das große Interesse seiner Regierung an einer Aufklärung des mysteriöse­n Falles. Dieser aber gibt weiterhin viele Fragen auf.

 ?? Foto: imago/ZUMA Press ?? Im August 2015 wurde sie wieder eröffnet: Die US-Botschaft in Havanna. Nun sind mysteriöse Erkrankung­en ein potenziell­er Schließung­sgrund.
Foto: imago/ZUMA Press Im August 2015 wurde sie wieder eröffnet: Die US-Botschaft in Havanna. Nun sind mysteriöse Erkrankung­en ein potenziell­er Schließung­sgrund.

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