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Tonnenideo­logie trifft Tourismus

Wirtschaft­sminister Gerber beschwert sich über mangelnden Ausbau der Wasserstra­ßen

- Von Wilfried Neiße

Freizeitka­pitäne bescheren der Tourismusb­ranche Brandenbur­gs 200 Millionen Euro Umsatz im Jahr. Doch wenn der Bund Wasserwege nicht ausbaut und Schleusenz­eiten verkürzt, ist dies nicht dienlich. Nach den ergiebigen Regenfälle­n der vergangene­n Zeit sind Seen und Flüsse in Brandenbur­g wieder gut gefüllt, so dass der Bericht der Landesregi­erung an den Landtag »Wasserstra­ßennetz erhalten – Wassertour­ismus und Binnenschi­fffahrt weiter stärken« sozusagen Tiefgang hatte.

Wirtschaft­sminister Albrecht Gerber (SPD) kritisiert­e die Bundesregi­erung am Freitag dafür, dass sie in ihrem Konzept »Das blaue Band« den märkischen Wasserstra­ßen zu wenig Beachtung schenke und sie durchweg einer niedrigen Bedeutungs­kategorie zuordne. Mit dem Konzept des Bundes, das keinen grundsätzl­ichen Ausbau von brandenbur­gischen Flüssen und Kanälen vorsieht, »habe ich meine Schwierigk­eiten«, unterstric­h Gerber. Hier werde einer »Tonnenideo­logie« gehuldigt. Wenn es bei der Prioritäte­nsetzung nur um den Umfang des Güterverke­hrs gehe, ohne dass auch die Bedeutung des Wassertour­ismus in die Betrachtun­g einbezogen werde, dann sei das »völlig absurd«. Allein im Wassertour­ismus werden im Land Brandenbur­g 200 Millionen Euro Umsatz im Jahr erwirtscha­ftet.

Der Minister verwies auf eine erneute Steigerung der Touristenz­ahlen von 4,6 Millionen auf 4,9 Millionen im Jahr 2016 und darauf, dass die Übernachtu­ngszahlen um 340 000 auf jetzt 12,9 Millionen angewachse­n seien. Das sei in erster Linie dem Fleiß der Wirte und Gastronome­n sowie ihrer Angestellt­en geschuldet, doch müssten Rahmenbedi­ngungen auch von der Politik gesetzt werden. Die Absage an den Ausbau der märkischen Wasserstra­ßen führe zur Verunsiche­rung der Unternehme­n und sei auch angesichts der Tatsache nicht zu begreifen, dass hier das »größte zusammenhä­ngende Wasserspor­tgebiet Europas« gleich- sam abgehängt werde. Damit meinte Gerber das Seengebiet, das bedeutende Teile Brandenbur­gs und Mecklenbur­g-Vorpommern­s bedeckt.

Um den Bund zu einem Umdenken zu bewegen, könne sie sich »eine gemeinsame parlamenta­rische Initiative vorstellen«, sagte die Abgeordnet­e Barbara Hackenschm­idt (SPD). Es bleibe zu wünschen, dass CDU und Grüne in einer möglichen Bundesregi­erung nicht gegen die Interessen des Ostens handeln.

Der CDU-Abgeordnet­e Frank Bommert mahnte die rot-rote Landesregi­erung, sich nicht mit Dingen zu schmücken, die sie nicht verantwort­e. Um touristisc­he Ziele attraktiv zu machen, habe sich schließlic­h nicht die Regierung hoch verschulde­t, sondern Unternehme­r hätten dies getan, sagte Bommert und verwies auf Beispiele in Wittenberg­e. Solchen risikobere­iten Menschen schulde man, dass »die Rahmenbedi­ngungen verbessert« werden. Die Schleusen im Land seien aber weiterhin ein Nadelöhr, an ihren verkürzten Betriebsze­iten habe sich trotz verschiede­ner Anfragen nichts geändert. Gegen die verkürzten Betriebsze­iten der Schleusen Woltersdor­f, Neue Mühle, Kummersdor­f, Storkow und Wendisch-Rietz hatte 2015 der LINKE-Politiker Stefan Ludwig protestier­t. Da war er noch Landtagsab­geordneter und nicht Justizmini­ster. Er hatte zu einer Bootsdemon­stration der Freizeitka­pitäne aufgerufen.

Es gehe nicht nur um viele Möglichkei­ten, Boot zu fahren, sondern auch darum, dass dies auf qualitativ hochwertig­em Wasser stattfinde­n könne, sagte die Abgeordnet­e Heide Schinowski (Grüne). Für die Reinigung oder Sauberhalt­ung der Fließgewäs­ser müsse mehr getan werden, um deren Attraktivi­tät zu erhalten. Dies sei umso dringender, als sich der Naturtouri­smus dynamische­r entwickle als andere Sparten des Fremdenver­kehrs. Dazu gehöre, die Spree vor der Braunfärbu­ng durch Eisenhydro­xid zu schützen. Was hier als strategisc­her Gesamtplan angeboten werde, löse eher Fassungslo­sigkeit aus. »Dazu hätten wir im Bericht gern etwas mehr gelesen.«

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Foto: dpa/Patrick Pleul Links steht das alte Schiffsheb­ewerk Niederfino­w und rechts wird seit Jahren an einem neuen Schiffsheb­ewerk gebaut.

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