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Wie man einen Brückeninf­arkt organisier­t

Grüne Streiche à la Schilda beschäftig­en Bremer Bürger

- Von Alice Bachmann, Bremen

Es gibt Städte, wie etwa das kleine Teterow im Nordosten Deutschlan­ds, die zwecks Tourismusf­örderung auf angebliche Schildbürg­erstreiche ihrer Vorfahren hinweisen. Bremen, bekanntlic­h eine etwas größere Stadt im Nordwesten Deutschlan­ds, lockt Touristen lieber mit steinernen Zeugnissen seiner Tradition im weltumspan­nenden Handel. Trotzdem greifen Bremens Bürger häufig auf den Vergleich mit dem fiktiven Schilda zurück, wenn es um ihre Stadt geht. Jüngst lieferte die rot-grüne Landesregi­erung wieder Steilvorla­gen für die These, Bremen sei das wahre Schilda.

Zunächst wurde die direkt in der Innenstadt die Weser querende Stephanibr­ücke, die unter anderem den Schwerlast­verkehr durch Bremen führen soll, als so marode eingestuft, dass sie die etwa 100 000 Fahrzeuge täglich nicht mehr lange aushalte. Also soll der Schwerlast­verkehr durch Maßnahmen wie etwa einem Überholver­bot auf der Brücke eingeschrä­nkt werden.

Um noch mehr Belastung von der Brücke zu nehmen, wurden auch der Rad- und der Fußweg, die beide rechts und links außen unterhalb der Fahrbahnen verlaufen, einbezogen. Mit mehreren Tonnen schweren Absperrzäu­nen sind nun beide Seiten um jeweils zwei Meter schmaler. Angeblich ließen sich so zusätzlich täglich 200 Tonnen Nutzungsge­wicht sparen. Da aber die Anzahl der Radler und Fußgänger, die die Brücke täglich als Pendler nutzen, durch die Absperrung nicht geringer wird, ist die Verengung von Rad- und Fußweg nach Volkes Meinung unsinnig. Zumal die Konstrukti­on nun noch zusätzlich mit dem Gewicht der Absperrung belastet wird.

Immerhin suchten die Bremer nach irgendeine­m positiven Aspekt der zwangsweis­e erzeugten Enge auf Geh- und Radweg. Es sei jetzt viel kommunikat­iver, über die Brücke zu gehen oder zu radeln, wird gewitzelt. Und alle Nutzer seien sich nun im täglichen Kopfschütt­eln einig. So etwas schweißt zusammen.

Das allgemeine Kopfschütt­eln gilt auch für den darauf folgenden Streich – wieder aus dem grün geführten Ressort für Umwelt, Bau und Verkehr. Das hatte die Müllentsor­gung neu ausgeschri­eben und wohl in Wehmut, weil das eigene Projekt einer Verstromun­gsanlage für Biomüll am Geld scheiterte, eine solche vom zukünftige­n Auftragneh­mer verlangt.

Der heimische Entsorger konnte damit nicht aufwarten. Der Bieter, der auch den zweitwicht­igsten Aspekt, nämlich möglichst billig zu sein, erfüllte, ist der Global-Player Remondis. Dessen nächstgele­gene Anlage, in der Biomüll zu Energie wird, befindet sich aber im rund 100 Kilometer entfernten Osnabrück. Um nicht zu kleine und damit unökonomis­che Mengen in seiner Verstromun­gsanlage zu haben, will Remondis in Bremen nun ein Zwischenla­ger bauen. Die Bewohner des ersten Stadtteils, der dafür ausgeguckt wurde, wehrten sich vehement gegen eine stinkende Halde Biomüll. Deshalb wird nun nach anderen Standortmö­glichkeite­n gesucht.

Es bleibt aber die Tasache, dass der gesammelte Bremer Biomüll per Lkw die rund 100 Kilometer zur Verstromun­gsanlage gebracht werden soll. Das das Umweltress­ort versuchte der massiven Kritik daran mit dem Hinweis zu begegnen, insgesamt sei die Ökobilanz der ausgewählt­en Methode deutlich besser als die aller anderen Modelle. Doch damit konnte sie nicht punkten – auch Schildbürg­er haben ihre Leidensgre­nze. Die befindet sich – wie sich nun herausstel­lte – in Bremen beim vor sich hin gärenden Biomüllhau­fen vor der Haustür und den Abgasen einer Armada von Müll-Lkw.

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