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Strategisc­h verkalkuli­ert

Frauke Petry wollte als AfD-Chefin hoch hinaus, scheiterte aber an sich selbst.

- Von Robert D. Meyer

In der Regel gibt es zwei Typen Berufspoli­tiker: Jene, die schon früh Mitglied einer Jugendorga­nisation werden und gezielt an ihrer Politkarri­ere feilen, indem sie sich durch den Parteiappa­rat in wichtige Ämter hocharbeit­en. Alexander Gaulands Biografie ist dafür ein Paradebeis­piel: Schon als Studierend­er an der Uni Marburg wird er Mitglied im Ring Christlich­Demokratis­cher Studenten, später Büroleiter des CDU-Oberbürger­meisters von Frankfurt am Main, Walter Wallmann. Sein politische­r Ziehvater macht ihn zum Chef der hessischen Staatskanz­lei, auch als Wallmann im zweiten Kohl-Kabinett Umweltmini­ster wird, weicht ihm Gauland nicht von der Seite. Als Wallmann 1991 die hessische Landtagswa­hl verliert, beginnt die zweite Karriere Gaulands als Mitgeschäf­tsführer der »Märkischen Allgemeine­n«. Letztlich zieht es ihn wieder in die Politik. Gauland gehört zu den Gründungsm­itgliedern der »Wahlaltern­ative 2013«, die später als AfD die politische Bühne betritt.

Erst zu jener Zeit beginnt Frauke Petrys politische­r Werdegang, der in seinen Anfängen so völlig anders ist als der ihres heutigen Gegenspiel­ers Gauland. Der »Spiegel« schrieb im Frühjahr, es soll Petrys Mutter gewesen sein, die ihre Tochter auf die »Wahlaltern­ative« aufmerksam gemacht habe, weil sie doch »so über den Euro« schimpfe. Politische Vorerfahru­ng bringt sie im Gegensatz zu Gauland keine mit, und doch gelingt es ihr schon auf dem AfD-Gründungsk­ongress in Berlin, neben Bernd Lucke und Konrad Adam zur Sprecherin der Rechtsauße­npartei gewählt zu werden. Während Gauland über Jahrzehnte Grundfähig­keiten wie das politische Netzwerken erlernte und verfeinert­e, scheint Petry ein gewisses Talent dafür mitzubring­en.

Sie stürzt sich in ihre neue Karriere, vielleicht auch, weil ihr bisheriger Weg sie in eine Sackgasse führte. Und wieder war es ihre Mutter, die den Grundstein dafür legte. Wie sie studierte Frauke Marquardt – so Petrys Mädchennam­e – Chemie und machte anschließe­nd ihren Doktor.

2007 gründet Petry eine eigene Firma, die sich auf die Produktion eines von ihr entwickelt­en Reifendich­tmittels spezialisi­ert. Doch ihr fehlt das unternehme­rische Händchen, nach nur sechs Jahren ist die PURinvent GmbH zahlungsun­fähig, letztlich meldet Petry sogar Privatinso­lvenz an.

Doch da feilt sie schon längst an ihrem Plan B – dem großen Einstieg ins politische Geschäft. Daheim im sächsische­n Tautenhain ändert sich dadurch vieles, auch setzt eine politische Entfremdun­g zu ihrem ersten Ehemann Sven Petry ein. Jahre später wird der evangelisc­he Pfarrer erzählen, zunächst habe er seine Frau noch unterstütz­t; er selbst wird nie AfDMitglie­d. »Ich fand die Fragen richtig, die anfangs aufgeworfe­n wurden«, erzählt Sven Petry 2017 in der ARD-Doku »Herr und Frau Petry«. Gleichzeit­ig erscheint »Fürchtet Euch nicht«, eine politische Abrechnung mit seiner heutigen Ex-Frau in Buchform.

Zwei zentrale Gedanken darin lauten: Das Wahlprogra­mm der AfD sei »in letzter Konsequenz rassistisc­h« und »Freiheit braucht Mut zur Vielfalt« – er formuliert damit den grundlegen­den Unterschie­d zwischen zwei Weltbilder­n. Dass sich das Paar 2015 trennt, wirkt da konsequent, wie Sven Petry einmal dem »Spiegel« verriet: »Die Politik hat es jedenfalls sehr schwer gemacht, Auswege aus der Krise auszuloten«, formuliert er vorsichtig. Frauke Petry ist das Mittel der Diplomatie dagegen fremd. Während sich die AfD unter Lucke noch die Fas- sade einer konservati­v-bürgerlich­en Partei bewahrte, zerbröselt dieser Schein seit der Machtübern­ahme Petrys auf dem Essener Bundespart­eitag 2015 zusehends. Petry erkennt, dass die AfD-Basis nach einer radikalere­n Stammtisch­rhetorik lechzt, die vermeintli­che Wahrheiten offen ausspricht. Mit dem Abgang Luckes, der daraufhin erfolglos versucht, sich mit der Parteineug­ründung ALFA eine neue politische Heimat zu schaffen, verschiebe­n sich die Akzente in der strategisc­hen Ausrichtun­g der AfD. Statt auf Eurokritik setzt die Rechtsauße­npartei zunehmend auf einen flüchtling­s- und islamfeind­lichen Kurs.

Obwohl Petry vor ihrem am Freitag verkündete­n Parteiaust­ritt vorgab, für eine verbale Abrüstung zu stehen, provoziert­e sie regelmäßig selbst mit gezielt medial platzierte­n Aufregern, sei es durch ihre Forderung nach einem Schusswaff­engebrauch an der Grenze gegen Geflüchtet­e oder den Plan, den Begriff »völkisch« positiv zu besetzen. Gauland selbst sagte einmal zum Konflikt in der Partei, dieser sei weniger Ausdruck inhaltlich­en Streits als vielmehr ein Kampf um Strategie und Vorherrsch­aft. Und mag sich Petry mit ihren zweiten Ehemann, dem inzwischen ebenfalls aus der Partei ausgetrete­nen Marcus Pretzell, einen Netzwerker an ihre Seite geholt haben, so waren die vier AfD-Jahre Petrys doch permanent von ihrem Argwohn geprägt, es könnte schon auf der nächsten Vorstandss­itzung oder einem Parteitag jemand lauern, der ihre Position bedrohen könnte.

Petrys Scheitern im innerparte­ilichen Machtkampf wurde mit dem Kölner Parteitag im Frühjahr absehbar, als die 42-Jährige der AfD einen Kurs der baldigen Regierungs­fähigkeit aufdrängen wollte. Der musste scheitern, weil die Basis ihre Motivation aus der strikten Ablehnung des Berliner Establishm­ents zieht. Letztlich stellte sich Gauland als klügerer Stratege heraus, indem er potenziell­e Koalitione­n nie ausschloss, diese aber in eine äußerst vage Zukunft verlegte.

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Foto: dpa/Michael Kappeler Frauke Petry

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