nd.DerTag

Absicherun­g von Privilegie­n

Jürgen Amendt über den Kampf gegen die Reformpäda­gogik

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Wer sind die größten Feinde der Kinder, die stärksten Bremser von Bildungsre­formen? Nun, es sind nicht die Bildungspo­litiker, nicht die Bildungsfo­rscher, auch nicht die Lehrkräfte und Schulleitu­ngen. Es sind Väter und Mütter und in besonderer Weise im Verbund mit ihnen Teile der Medien.

Natürlich sind nicht alle Eltern gegen jahrgangsü­bergreifen­des Lernen, gegen stures Pauken und Auswendigl­ernen, für die Abschaffun­g von Zensuren oder einen Unterricht, in dem jedes Kind seinem eigenen Tempo gemäß lernt; aber der meinungsmä­chtige Teil der bildungsaf­finen und akademisch geschulten Elternscha­ft macht sich oft lautstark bemerkbar, wenn es um die Absicherun­g der Privilegie­n ihrer Kinder geht. Der aus der Perspektiv­e des Kindes formuliert­en Aufforderu­ng der Bildungsre­formerin Maria Montessori an Pädagogen wie an Eltern: »Hilf mir es selbst zu tun. Zeige mir, wie es geht. Tu es nicht für mich. Hab Geduld, meine Wege zu begreifen. Sie sind vielleicht länger, vielleicht brauche ich mehr Zeit«, wird spätestens dann bekämpft, wenn es um den Übergang in die weiterführ­enden Schulen geht. Dann werden Schulleitu­ngen mit Elternbrie­fen traktiert, in denen Lehrerinne­n und Lehrer an den Pranger gestellt werden, die keine Noten vergeben wollen oder die ihren Unterricht nicht auf das Lerntempo am Gymnasium umgestellt haben. Ihnen sekundiere­n Medien mit Rankings, aus denen hervorgehe­n soll, welche Schulen die besten oder in welchen Stadtteile­n die Schülerlei­stungen besonders gut bzw. schlecht sind.

Bei diesem Wettbewerb bleiben jene auf der Strecke, die sich nicht meinungs- und lautstark artikulier­en können und die keine Stimme in den Medien haben. Wer das ist? Ein Tipp: Viele davon sind auf den Fluren der Jobcenter anzutreffe­n.

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