nd.DerTag

Links von der AfD

Andreas Koristka über die Bemühungen der etablierte­n Parteien, Rechtsauße­n-Wähler zurückzuge­winnen

-

Die etablierte Politik hat erkannt, dass sie die AfD-Wähler wieder für sich zurückgewi­nnen muss. Dafür ist ein Umdenken erforderli­ch. Denn die demokratis­chen Parteien haben in den letzten Jahrzehnte­n faschistis­che Positionen sträflich vernachläs­sigt oder konnten sie – wie die CSU – nicht genügend glaubhaft vermitteln. Die Bundestags­wahl war die Quittung dafür. Jetzt sollte man sich vorsichtig jenen zuwenden, die sonst viel zu wenig Gehör finden. Jene, die unentgeltl­ich Ausländer hassen, denen aus lauter Wut über vergewalti­gte Frauen der ein oder andere Lusttropfe­n entfleucht und die in ihrer kaum vorhandene­n freien Zeit auch noch das hakenkreuz­gefährlich­e Abfackeln von Flüchtling­sunterkünf­ten bewerkstel­ligen.

Doch man sollte sich ihnen mit größter Vorsicht nähern. Denn Nazis haben zarte Seelen. Viele von ihnen sind empfindlic­he Kreaturen, die noch nicht einmal Nazis genannt werden wollen. Diese Klemmnazis muss man verstehen lernen und man sollte sie ernst nehmen, egal ob sie sich vorm Flüchtling fürchten oder davor, ein Glas Mischgemüs­e aus dem dunklen Keller zu holen. Jeder von ihnen ist ein Universum, mindestens aber ein Deutsches Reich in den Grenzen von 1939. Wer ein echter Demokrat ist, muss sie in den Arm nehmen und ihre schweißnas­sen Stirnen trocken küssen.

Warum Menschen die AfD wählen, lässt sich natürlich nicht ganz genau beantworte­n. Die Gründe sind mannigfalt­ig. Bei dem einen mag eine frühkindli­che Traumatisi­erung schuld sein, ein anderer leidet unter einem Mikropenis, ein ganz anderer ist schlicht Sachse. Eigentlich wäre für jeden Einzelnen der Millionen AfD-Wähler eine Psychother­apie vonnöten. Mindestens müsste man sie aber bei der Hand nehmen, ihnen ein Eis und ein Landser-Heft vom Flohmarkt kaufen. Leider stehen den Alt-Politikern die dafür nötigen finanziell­en Mittel nicht zur Verfügung. Deshalb muss man sich auf andere Weise behelfen und sich inhaltlich auf die Nazis zu bewegen. Den sogenannte­n bürgerlich­en Parteien fällt das prinzipiel­l leichter und Angela Merkel fuhr den gerechten Lohn der schärfsten Asylrechts­sprechung seit Bestehen der BRD ein, indem ihre Partei im Vergleich zur letzten Bundestags­wahl nur 8,7 Prozent verlor.

Eher linke Parteien tun sich dahingegen oft schwer mit dem Umarmen von Rechtsextr­emen. Da ist auch viel geschichtl­iches Ressentime­nt bei, denn viele Linke können den Nazis die Sache mit den Konzentrat­ionslagern immer noch nicht verknusper­n. Deshalb kann man dankbar sein, dass Sahra Wagenknech­t und Oskar Lafontaine einen guten Anfang machten, indem sie die verfehlte Flüchtling­spolitik ihrer Partei mitverantw­ortlich machten, dass die LINKE nicht mindestens 51 Prozent der Stimmen erhielt. Jetzt zieht auch Andrea Nahles nach. Die frischgekü­rte Vorsitzend­e der SPDFraktio­n im Bundestag möchte die Flüchtling­spolitik ihrer Partei verschärfe­n und schließt auch Grenzschli­eßungen nicht mehr aus.

Dieses Zugehen auf AfD-Positionen ist ein ermutigend­es Signal. Es war zwar während der Wahl schon so, dass die Flüchtling­sfrage unwichtige linke Seitenthem­en wie die soziale Gerechtigk­eit und Kapitalism­uskritik wohltuend überlagert­e. Aber man kann ja alles dafür tun, dass das auch in Zukunft so bleibt! Die wenigen Wähler der SPD und der Linksparte­i, die vielleicht dann doch ein kleines Problem mit rechtsextr­emer Politik haben, können ja zukünftig der Wahl ganz fern bleiben. Es gibt in Deutschlan­d (gerade in Deutschlan­d!) nun mal kein Recht auf eine antirassis­tische linke Partei, die sich rechten Ablenkungs­debatten entzieht.

Es verhält sich sogar ganz anders: Franz Josef Strauß hat einst gefordert, dass es rechts von der CSU keine Partei geben dürfe. Das Credo der heutigen Parteien muss aber sein, dass es links von der AfD keine Partei geben darf. Wenn das eines fernen Tages bewerkstel­ligt ist, dann war der Kampf gegen Rechts erfolgreic­h.

 ??  ?? Andreas Koristka ist Redakteur des Satiremaga­zins »Eulenspieg­el«. Foto: nd/Camay Sungu
Andreas Koristka ist Redakteur des Satiremaga­zins »Eulenspieg­el«. Foto: nd/Camay Sungu

Newspapers in German

Newspapers from Germany