nd.DerTag

Katalonien­s Bürger auf der Straße

Martin Ling über den Tag des Protestes gegen die Polizeigew­alt

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»Ich will keine Unabhängig­keit, aber ich kann nicht zu Hause bleiben, während mein Volk verprügelt wird.« Dieser Slogan auf Katalanisc­h, wo das Wort poble wie auch im Spanischen pueblo weit weniger völkischen Charakter hat als aus historisch­en Gründen hierzuland­e, stand auf einem Plakat bei einer Demonstrat­ion am 3. Oktober in Girona. In ganz Katalonien gingen Hunderttau­sende auf die Straßen, um klar zu machen, dass Gewalt nie ein Mittel der Politik sein sollte. In Katalonien sind laut Umfragen 70 bis 80 Prozent für das Selbstbest­immungsrec­ht der Völker – für die Unabhängig­keit ist man damit noch lange nicht, jedoch für das Recht auf Entscheidu­ng in einem demokratis­chen Rahmen. Dieser wurde am 1. Oktober von der spanischen Polizei auf Geheiß der Regierung in Madrid nicht gewährt. Das Argument der Illegalitä­t des Referendum­s zieht in Katalonien auch bei den Unabhängig­keitsgegne­rn nicht, spätestens dies hätte in Madrid zur Einsicht verhelfen müssen, einen anderen Weg einzuschla­gen als die Polizeigew­alt.

Einsicht ist von der Regierung von Mariano Rajoy in Madrid nicht zu erwarten. Solange die EU in Passivität verharrt und im spanischen Parlament kein Misstrauen­svotum gegen Rajoy auf den Weg gebracht wird, obwohl er keine Mehrheit hat, werden die katalanisc­hen Straßen voll bleiben.

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