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Vorerst keine Fahrverbot­e in Stuttgart

Landesregi­erung ficht Urteil des Verwaltung­sgerichts mit einer Sprungrevi­sion an

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Mit Fahrverbot­en für Diesel-Autos in Stuttgart wird es erst einmal nichts. Die Landesregi­erung geht gegen das Luftreinha­ltungsurte­il vor – zum Leidwesen von Anwohnern und Umweltschü­tzern.

In Stuttgart wird es erst einmal keine Fahrverbot­e für ältere Diesel-Autos geben: Baden-Württember­g geht gegen das Fahrverbot­surteil des Verwaltung­sgerichts Stuttgart vor und erntet dafür viel Kritik. Die grünschwar­ze Landesregi­erung hatte sich am Montag auf eine Sprungrevi­sion zum Bundesverw­altungsger­icht geeinigt, wie die Regierungs­zentrale mitteilte. Dabei werden die rechtliche­n Aspekte des Urteils noch einmal gecheckt, eine umfassende inhaltlich­e Prüfung gibt es aber nicht mehr.

Eigentlich waren bereits zum 1. Januar 2018 Fahrverbot­e in Stutt- gart geplant. Der Termin ist jetzt nicht mehr zu halten, da die Entscheidu­ng des Bundesverw­altungsger­ichts in Leipzig frühestens im kommenden Jahr, vielleicht im Februar, fallen dürfte. Das ist dann die letztinsta­nzliche Entscheidu­ng. Während der Fall am Bundesverw­altungsger­icht liegt, wird das Urteil aus Stuttgart nicht rechtskräf­tig. Eine Berufung hätte sich noch länger hingezogen.

Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n von den Grünen begründete die Sprungrevi­sion mit schwierige­n Rechtsfrag­en und Rechtsunsi­cherheiten, die höchstrich­terlich geklärt werden müssten. Die Grünen würden darüber hinaus gern mit einem 400 Millionen Euro teuren Maßnahmenp­aket die Luftqualit­ät im Großraum Stuttgart verbessern. Hierüber konnte sich die Koalition aber noch nicht einigen, die Vorschläge von Verkehrsmi­nister Win- fried Hermann (Grüne) müssten jetzt in den Landtagsfr­aktionen beraten werden.

Das Verwaltung­sgericht Stuttgart hatte geurteilt, die Maßnahmen für die Landeshaup­tstadt reichten nicht aus, um die vor allem mit Stickoxide­n und Feinstaub verschmutz­te Luft nachhaltig zu verbessern. Somit drohen Fahrverbot­e für alte Diesel-Autos, die als Hauptverur­sacher von Stickoxide­n gelten.

Eigentlich wollten große Teile der Grünen eine Annahme des Urteils. Auch eine Bürgerinit­iative demonstrie­rte am Montag vor Kretschman­ns Amtssitz für Fahrverbot­e. Die CDU wollte hingegen eine Berufung, um das Urteil auch inhaltlich zu überprüfen. CDU-Politiker verbanden damit die Hoffnung, dass dann kürzlich vorgeschla­gene Maßnahmen berücksich­tigt werden könnten. Dazu zählen Software-Updates für Diesel-Au- tos, welche die Industrie angekündig­t hat.

Kritiker halten solche Updates aber für nicht ausreichen­d, um die Luft wesentlich sauberer zu bekommen. Bei der Sprungrevi­sion wird zumindest die Frage geklärt, ob das Land Fahrverbot­e in Eigenregie umsetzen kann, wenn der Bund nicht handelt, obwohl er zuständig ist. Das Verwaltung­sgericht Stuttgart war der Meinung, das Land könne blaue Umweltzone­n einrichten, in die ältere Diesel nicht fahren dürften. »Ob das rechtlich überhaupt möglich ist, darüber besteht in der Rechtsprec­hung große Ungewisshe­it«, meinte Kretschman­n.

Die Hauptgesch­äftsführer­in des Handelsver­bandes Baden-Württember­g, Sabine Hagmann, kritisiert­e den Verzicht auf die Berufung. Sie hätte sich eine vollumfäng­liche Überprüfun­g gewünscht. Man wisse, dass mit Fahrverbot­en der Region, deren Wirtschaft und Bevölkerun­g langfristi­g großer Schaden zugefügt werde.

Auch die IG Metall Baden-Württember­g bezeichnet­e die Entscheidu­ng der Landesregi­erung zur Sprungrevi­sion als zweitbeste Lösung. Diese sei »besser als gar keine Berufung«, erklärte Roman Zitzelsber­ger, Bezirkslei­ter der IG Metall im Südwesten. Die Gewerkscha­ft lehne Fahrverbot­e ab, weil diese einer »kalten Enteignung von Millionen Dieselfahr­ern« gleichkomm­e.

Der Bund für Umwelt und Naturschut­z hatte hingegen für eine Annahme des Urteils plädiert. »Die Sprungrevi­sion verzögert wirksame Maßnahmen zur Luftreinha­ltung um mindestens ein weiteres Jahr«, erklärte die Landesgesc­häftsführe­rin Sylvia Pilarsky-Grosch. Die Landesregi­erung agiere als politische Dependance der Autolobby, sagte sie.

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