nd.DerTag

Zuständig für Auslandspr­opaganda und Asylentsch­eide

In Jena war ein der vietnamesi­schen Regierung nahestehen­der Mann beim Bundesamt für Migration und Flüchtling­e angestellt

- Von Peter Nowak

Über den Asylantrag einer Geflüchtet­en aus Kambodscha wurde nicht neutral entschiede­n, sondern von einem Sympathisa­nten der dortigen Regierung. Initiative­n fordern die erneute Prüfung des Falls. Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtling­e (BAMF) im thüringisc­hen Jena/Hermsdorf war für Kanha Chhuns eine große Enttäuschu­ng. Der kambodscha­nischen Opposition­ellen wurde mitgeteilt, dass sie und ihre beiden Kinder innerhalb von 30 Tagen Deutschlan­d verlassen müssen. Ihre Anträge auf Asylanerke­nnung wurden abgelehnt. Auch der subsidiäre Schutzstat­us wurde ihnen nicht zuerkannt. Der Ablehnungs­bescheid, der »nd« vorliegt, ist mit Ho unterzeich­net. Das Kürzel steht für Ho Ngoc. T. Der aus Vietnam stammende Mann hat bis vor wenigen Wochen im BAMF in Jena gearbeitet. Ho Ngoc. T. gilt keineswegs als neutral. Er hatte im sozialen Netzwerk Facebook die Entführung eines ehemaligen vietnamesi­schen Politikers aus Deutschlan­d nach Vietnam zustimmend kommentier­t.

Nach Angaben der Flüchtling­sorganisat­ion The Voice war Kanha Chhuns in Kambodscha in der Opposition­spartei CNRP aktiv und nahm an Demonstrat­ionen teil. Die CNRP setzte sich unter anderem für Rechte streikende­r ArbeiterIn­nen ein, die von dem kambodscha­nischen Regime verfolgt werden. Der kambodscha­nische Langzeitpr­äsident Hun Sen ist ein enger Verbündete­r Vietnams.

Dass ausgerechn­et ein Gefolgsman­n Vietnams über Asylanträg­e von kambodscha­nischen Opposition­ellen entscheide­t, empört die Flüchtling­sorganisat­ion The Voi- ce. »Wir fordern, dass die politische Verfolgung von kambodscha­nischen AktivistIn­nen als legitimer Fluchtgrun­d anerkannt wird. Das bedeutet auch, dass alle durch Herrn Ho Ngoc T. negativ entschiede­nen Anträge noch einmal bearbeitet und entschiede­n werden müssen«, fordert Bernhard S., der in Thüringen in der Geflüchtet­ensolidari­tät aktiv ist.

Diese Forderung wird auch von Vu Quoc Dung unterstütz­t. »Wenn das BAMF Herrn Ho Ngoc T. wegen Verletzung der Neutralitä­tspflicht entlassen hat, dann müssen nun die Asylfälle von kambodscha­nischen Opposition­ellen, die er entschiede­n hatte, neu geprüft werden. Denn es ist weitgehend bekannt, dass Herr Ho Ngoc T. die Politik der vietnamesi­schen Regierung öffentlich verteidigt, deren Schützling der kambodscha­nische Diktator Hun Sen ist«, erklärt der Direktor der Menschen- rechtsorga­nisation VETO! Human Rights Defenders' Network e.V. gegenüber »nd«.

Er erinnerte auch daran, dass sich Ho Ngoc T. in Zeitungen der vietnamesi­schen Regierungs­partei wiederholt abfällig über vietnamesi­sche DissidentI­nnen geäußert und die Verhaftung­en von BloggerInn­en und Journalist­Innen verteidigt habe. Zudem habe Ho Ngoc T. von der allein regierende­n Kommunisti­schen Partei Vietnam einen Preis für Auslandspr­opaganda bekommen.

»Grundsätzl­ich ist die Entscheidu­ng über Asylanträg­e durch eine Person, die – wie wir jetzt wissen – weit weg vom sogenannte­n Boden des Grundgeset­zes steht, inakzeptab­el«, sagte die Berliner Rechtsanwä­ltin Petra Schlagenha­uf dem »nd«. Sie hat den entführten vietnamesi­schen ExPolitike­r vertreten, der in Deutschlan­d Asyl beantragt hat.

Die Sprecherin des BAMF, Kira Gehrmann, bestätige gegenüber »nd«, dass Ho Ngoc T. seit 1991 als Sachbearbe­iter beim BAMF beschäftig­t, dort aber nicht für die Durchführu­ng von Asylverfah­ren für vietnamesi­sche Asylbewerb­erInnen zuständig war. Von den Veröffentl­ichungen des Mitarbeite­rs habe ihre Behörde erst durch eine Presseanfr­age Anfang August 2017 Kenntnis erlangt.

Danach sei der Mann bis zur endgültige­n Klärung des Sachverhal­ts von seinen Tätigkeite­n entbunden worden. Nach Abschluss der Prüfung habe das Bundesamt das Arbeitsver­hältnis umgehend beendet. Kanha Chhums und ihre Kinder hatten wohl Pech, dass ihre Ablehnunge­n schon Anfang August ausgeferti­gt wurden. Zur Frage, ob die Anträge noch einmal überprüft werden, wollte Gehrmann aus datenrecht­lichen Gründen nicht Stellung nehmen.

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