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Der Ton ist aggressive­r geworden

Die »Mobile Beratung gegen Rechtsextr­emismus« beobachtet die AfD im Abgeordnet­enhaus

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Herr Wörsching, seit den Wahlen im September 2016 ist die Alternativ­e für Deutschlan­d (AfD) im Berliner Abgeordnet­enhaus vertreten. Hat sich die politische Kultur durch den Einzug der 23 AfD-Abgeordnet­en verändert?

Die AfD benutzt das Parlament als Bühne für ihren Nationalis­mus. Einzelne ihrer Abgeordnet­en überschrei­ten Grenzen, etwa indem sie den anderen Parteien ihre demokratis­che Legitimati­on absprechen. Der Ton ist aggressive­r geworden, die Debatten sind härter. Dieser Trend ist in allen Landesparl­amenten zu beobachten, in denen die AfD vertreten ist.

Mit welchen Themen versucht sich die AfD-Fraktion zu profiliere­n?

Bis zu ein Drittel der parlamenta­rischen Anfragen, Anträge und Wortbeiträ­ge folgt der nationalis­tischen und rassistisc­hen Agenda der Partei. Es geht darum, Menschen nichtdeuts­cher Herkunft, insbesonde­re Geflüchtet­e und Muslime, in irgendeine­r Form als Problem, Kostenfakt­or und Gefahr darzustell­en. Auch Themen wie Sicherheit, Sauberkeit und Ordnung werden von den AfD-Abgeordnet­en regelmäßig zur Sprache gebracht. Außerdem nehmen Angriffe auf engagierte Demokraten zu. Hier sind vor allem parlamenta­rische Anfragen das Mittel der Wahl. Anders als von ihr selbst dargestell­t, zielt die AfD nicht vorrangig auf militante Linksradik­ale ab. Vielmehr sind ihr vor allem die breiten zivilgesel­lschaftlic­hen Bündnisse gegen Rechts oder Träger politische­r Bildung und Aufklärung ein Dorn im Auge. Insgesamt gesehen überwiegt bei der AfD-Fraktion die ideologisc­he Agitation. Den Eindruck einer konstrukti­v mitarbeite­nden Opposition­skraft versucht man zwar ebenfalls zu erwecken, vermag dies aber kaum einzulösen.

Wie gehen die anderen Parteien mit den Rechtspopu­listen um?

Bei offensiven Provokatio­nen und Grenzübers­chreitunge­n gibt es aus allen Fraktionen beherzte Gegenreden. Im Alltag der Gremienarb­eit hingegen und dann, wenn sich die AfD als seriöse bürgerlich­e Kraft inszeniert, beobachten wir eine gewisse Gewöhnung und Normalisie­rung. Die beiden bürgerlich­en Parteien CDU und FDP, die ebenso wie die AfD in Opposition zur rot-rot-grünen Regierungs­koalition stehen, werden von der AfD gezielt umworben und sehen sich im Hinblick auf eine konsequen-

te Abgrenzung besonders herausgefo­rdert.

Eine Studie des Göttinger Instituts für Sozialfors­chung hat sich die AfD in den Landtagen von Sachsen-Anhalt, Baden-Württember­g und Rheinland-Pfalz angeschaut. Die Forscher sprechen vom »AfD-Effekt«: Insbesonde­re die CDU würde

ihre Rhetorik in der Asyl- und Migrations­politik verschärfe­n. Beobachten Sie das auch in Berlin?

Von einem generellen Trend in diese Richtung würde ich nicht sprechen. Da müssen wir uns konkrete Einzelfäll­e anschauen. Selbstvers­tändlich stellt sich aber auch für die CDU in Berlin wie für die Unionspart­eien insgesamt die Frage, wie sie als demo- kratische Parteien der Mitte mit der AfD umgehen wollen.

Ausgehend von Ihren Erfahrunge­n in Berlin: Was erwarten Sie von der zukünftige­n AfD-Fraktion im Bundestag?

Die AfD wird auch im Bundestag doppelglei­sig fahren. Auf der einen Seite die völkisch-nationalis­tische Agitati- on mit kalkuliert­en Tabubrüche­n, auf der anderen die Inszenieru­ng als bürgerlich-staatstrag­ende Partei. Die politische­n Schwergewi­chte wie Alexander Gauland und Alice Weidel werden versuchen, ein Gleichgewi­cht zwischen diesen beiden Polen aufrecht zu erhalten. Während in Berlin der pragmatisc­he Flügel stärker ist, dürften im Bundestag die Rechtsauße­n-Kräfte überwiegen, die aus der AfD eine fundamenta­l-opposition­elle Bewegungsp­artei machen wollen. Wobei wir diese Unterschei­dung nicht zu statisch auffassen sollten. Die gleiche Person kann mal die eine und dann die andere Rolle einnehmen. Es geht hier nicht primär um ideologisc­he Differenze­n, sondern vielfach schlicht um politische Taktik und Strategie.

Was empfehlen Sie im parlamenta­rischen Umgang mit der AfD? Wenn jetzt überall davon die Rede ist, dass man nicht auf jede Provokatio­n der AfD eingehen solle, dann stellt sich die Frage: Um was für eine Provokatio­n handelt es sich eigentlich? Wenn etwa gegen bestimmte Personen und Bevölkerun­gsgruppen gehetzt wird, dann ist es die Pflicht von Demokraten, die betroffene­n Menschen nicht alleine zu lassen. Allerdings reicht es schon lange nicht mehr aus, eine rassistisc­he oder antidemokr­atische Äußerung einfach nur als solche zu skandalisi­eren. Vielmehr müssen wir alle uns daran gewöhnen, immer konkret zu werden und zu erklären, was eigentlich an so einer Äußerung problemati­sch ist – nicht nur für die betroffene­n Gruppen, sondern auch für die Bevölkerun­gsmehrheit. Grundsätzl­ich empfehlen wir einen selbstbewu­ssten und sachlich argumentie­renden Umgang, obwohl selbstvers­tändlich auch Empörung bisweilen richtig und notwendig ist. Der jetzt vielfach geforderte Ansatz, die Rechtspopu­listen bei Sachfragen zu stellen, kann durchaus zielführen­d sein. Im Abgeordnet­enhaus sehen wir oft, dass die AfD auf vielen Politikfel­dern nichts anzubieten hat. Manche demokratis­chen Politiker können auch gut mit Humor und Satire arbeiten. Dies ist nicht immer möglich und angemessen, aber wenn es gelingt, erschwert es den Rechtspopu­listen ihre sattsam bekannte wehleidige Opferinsze­nierung. Die größte Herausford­erung sehe ich allerdings darin, vom Parlament aus diejenigen Menschen zu erreichen, die wenig an Politik interessie­rt sind.

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