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Turnen ohne Druck und Bremse

Tabea Alt will bei ihrer ersten Weltmeiste­rschaft gleich in die Geschichte ihres Sports eingehen

- Von Frank Thomas, Montreal

Seit 13 Jahren steht das Leben von Tabea Alt ganz im Zeichen des Turnens. Bei ihrer ersten WM will die 17-Jährige nun in Montreal ganz weit nach vorn kommen. Tabea Alt kann die Vergleiche mit Fabian Hambüchen kaum noch hören. »Ich mache mir gar keinen Druck. Ich will hier zeigen, wer ich bin und was ich kann. Ich versuche mir durch diese Art der Motivation einen Extraschub zu verleihen«, meinte die deutsche Hoffnungst­rägerin vor ihrer WMPremiere am Mittwoch in Montreal. Dass man sie schon oft mit dem erfolgreic­hsten deutschen Turner vergleicht, ist für sie aber auch eine große Anerkennun­g.

In Sachen Ehrgeiz und Trainingsf­leiß steht die Gymnasiast­in ihm schon jetzt in nichts nach. Um 5.00 Uhr klingelt morgens ihr Wecker, täglich zwei Mal trainiert sie bis zu drei Stunden an sechs Tagen der Woche. Bei der WM im Olympic Stadium, in dem 1976 die Leichtathl­eten ihre Olympiasie­ger kürten, könnte sie nun den Durchbruch schaffen, nachdem sie im April bei der EM in Cluj-Napoca von Magen-Darm-Problemen gehandicap­t war. »Das war schrecklic­h«, erinnert sich Alt. Doch mit Platz eins in der Mehrkampfq­ualifikati­on und zuvor dem Sieg im Gesamtwelt­cup hatte sie ihr Potenzial schon angedeutet.

Obwohl sie sich zur Regenerati­on im Juni eine Wettkampfp­ause gönnte, auf das Turnfest verzichtet­e und sich auf den Abschluss der zehnten Klasse (Notenschni­tt 1,5) konzentrie­rte, blieb für Urlaub wegen der WMVorberei­tung keine Zeit. Dafür opfer- te sie einen Teil der knapp bemessenen Freizeit für Fahrstunde­n, um nach bestandene­r Theorieprü­fung möglichst bald den Führersche­in in den Händen zu halten. »Aber hier zählt nur der Sport«, gibt sie die Devise aus. »Es ist Wahnsinn, in dieser Riesenaren­a turnen zu dürfen.«

Bei Hambüchen, der sie in Marketingf­ragen berät, hatte ihre Pause zwiespälti­ge Gefühle ausgelöst. »Natürlich steht die Gesundheit im Vordergrun­d. Ich habe früher ja auch öfter mal eine Handbremse im Training gezogen. Aber das Turnfest in der Hauptstadt wäre für sie natürlich auch eine Riesenplat­tform gewesen«, sagt der Olympiasie­ger. Cheftraine­rin Ulla Koch stand voll hinter der Maßnahme. »Wir wollen sie ganz behutsam aufbauen«, begründet sie. »Druck kann sie sich aber nur selber machen.« Früher war das noch ein bisschen anders. »Ich wollte immer ein bisschen zu viel«, gibt Tabea Alt zu, manchmal nicht geduldig genug gewesen zu sein. »Wir mussten sie manchmal bremsen«, erinnert sich Trainer Robert Mai, der die Turnerinne­n in Stuttgart betreut.

Im Frühjahr hatten sich Alt und ihre Trainer überlegt, welche neuen Schwierigk­eiten sie in ihre Übungen einbauen wollen. Während sie am Schwebebal­ken schon Weltspitze ist und WM-Hoffnungen weckt, ging es am Stufenbarr­en einen großen Schritt nach vorn. Zu ihrer WM-Übung gehört ein Element, das sie nun als erste Turnerin vorstellen möchte. Sollte das Durchbücke­n durch beide Arme zum unteren Holmen gelingen, gäbe es künftig im Regelwerk den »Alt« – auf ewig wäre die Ludwigsbur­gerin in der Turngeschi­chte verankert.

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Foto: imago/Sven Simon Am Schwebebal­ken schon Weltspitze: Tabea Alt

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