Kein komplett gebührenpflichtiger Strand
Bundesverwaltungsgericht in Leipzig: Warum Strandgebühren an der Nordsee rechtswidrig sind
Darf ein Urlaubstag am Strand Geld kosten? Viele Strandbäder an Nord- und Ostsee verlangen von Tagesgästen Eintrittsgeld. Ein Grundsatzurteil kippt nun solche Gebühren in einer Nordsee-Gemeinde (nd berichtete).
Das Meer direkt vor der Nase, aber ein Maschendrahtzaun versperrt den Zugang zum Strand. Diese Situation war zwei Bewohnern der Nordseeküste ein Dorn im Auge. Sie klagten gegen die ostfriesische Gemeinde Wangerland gegen die Eintrittspreise von 3 Euro in zwei eingezäunten Strandbädern. Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig vom 13. September 2017 (Az 10 C 7.16) bekamen sie Recht. Die Touristik GmbH Wangerlands darf nicht mehr für den ganzen neun Kilometer langen Strand von Tagesgästen Eintritt verlangen.
Was entschieden die Richter? Die Gemeinde Wangerland darf nur noch für kleine Teile der Küste Eintritt verlangen, und zwar für solche, wo die Gemeinde besonderen Badegenuss schafft (Restaurants, Kioske oder Umkleidekabinen). An langen Abschnitten der beiden Strände gebe es solche Einrichtungen nicht, dort müsse freier Zugang möglich sein, so die Richter. Die bisherige Regelung widerspreche Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes, der die allgemeine Handlungsfreiheit vorsieht. Außerdem eröffne das Bundesnaturschutzgesetz das Recht, freie Landschaften zu betreten. Die Strandabschnitte mit weniger Infrastruktur sehen die Richter als freie Landschaft. Andere Gemeinden an der Nord- und Ostseeküste müssen nun prüfen, ob die von ihnen erhobenen Gebühren rechtens sind oder ob sie sie nötigenfalls abschaffen müssen.
Wie argumentierte die beklagte Gemeinde?
Sie verwies darauf, dass sie das Geld für den Betrieb der Strandbäder brauche. Die beiden Strände seien künstlich angelegt. Wenn das Gericht die Gebühr kippe, müssten Tagesgäste in anderer Form einen Kostenbeitrag leisten.
Wie ist die Situation an den Küsten Deutschlands?
»An der Nordseeküste wird generell von Tagesgästen mit wenigen Ausnahmen ein Strand- eintritt verlangt«, sagt Sonja Janßen, Geschäftsführerin des Tourismusverbands Nordsee – auch in Schleswig-Holstein. Die Kosten bewegten sich im Rahmen von 1,50 Euro bis 3,50 Euro pro Person.
Und die Lage an der Ostsee? Die Situation an der Ostseeküste sei eine andere als in Niedersachsen, so der Landestourismusverband von MecklenburgVorpommern. Es gebe im Nordosten keine abgesperrten Strände. Nach Einschätzung mehrerer Ostseebäder ist dagegen der Verkauf von Kurabgabe für den Strandbesuch von geltendem Recht gedeckt. Die Strände seien mit den notwendigen Einrichtungen ausgestattet, die Gelder würden zweckgebunden für Pflege und Ausbau der Infrastruktur verwendet. Bad Doberans Bürgermeister Thorsten Semrau sieht die Satzung zur Kurabgabe als rechtssicher an. Dies sei im Kommunalabgabengesetz geregelt. Danach kann am Strand von Heiligendamm eine Kurabgabe von 2 Euro erhoben werden, in Binz auf Rügen sind es 2,85 Euro und in Warnemünde 2,25 Euro. In manchen Gemeinden müssten auch Tagesgäste Kurtaxe bezahlen. An der rund 2000 Kilometer langen Ostseeküste gebe es jedoch viele kostenfreie Strände. dpa/nd