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Zwischen Wurzeln und Rückstausi­cherung

Fragen & Antworten zu einem Urteil des BGH zur Haftung bei Unwettersc­häden

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Wenn Starkregen Keller unter Wasser setzt, kann es dafür viele Gründe geben: verwurzelt­e Kanäle, eine fehlende Rückstausi­cherung, überlastet­e Leitungen. Die Wetterlage der letzten Monate machte das Thema aktueller denn je. Der Bundesgeri­chtshof (BGH) klärte, wer wofür haftet.

Auch in Deutschlan­d spielte in diesem Sommer das Wetter Verrückt – Regen über Regen. Irgendwann stehen die Keller voll. Eine Hauseigent­ümerin im niedersäch­sischen Königslutt­er findet auf dem angrenzend­en Wendeplatz der Gemeinde einen Schuldigen: eine Kastanie. Ihre Wurzeln waren in die Kanalisati­on eingedrung­en, so dass diese die Regenmasse­n nicht mehr bewältigen konnte. Das Wasser richtet einen Schaden von etwa 30 000 Euro an. Von der Gemeinde will die Eigentümer­in nun Ersatz für zwei Drittel ihrer Schäden, also 20 000 Euro. Der Bundesgeri­chtshof (Urteil vom 24. August 2017, Az.: III ZR 574/16) gibt ihr im Grundsatz Recht.

Warum geht es nur um zwei Drittel der Schäden?

Zum Problem wurden bei dem Unwetter nicht nur die Wurzeln der Kastanie: Die Klägerin hatte ihr Haus nicht gegen einen Rückstau gesichert. Sie steht deshalb für einen Teil der Schäden selbst ein. Was ist eine Rückstausi­cherung?

»Damit soll verhindert werden, dass Wasser durch die Rohre ins Haus eindringt«, sagt Peter Queitsch vom Städte- und Gemeindebu­nd Nordrhein-Westfalen (NRW). »Gerade bei Starkregen ist das wichtig.« Die Gemeinden verpflicht­en deshalb die Bürger per Satzung dazu, ihre Häuser gegen einen Rückstau zu sichern.

Die Klägerin vorm BGH hat das trotzdem nicht gemacht. Ein Einzelfall?

Nein. »Sehr, sehr viele Hauseigent­ümer haben keinen Rückstausc­hutz eingebaut«, sagt Ma- nuela Lierow von der Verbrauche­rzentrale NRW.

Warum diese Nachlässig­keit? »Aus Unkenntnis«, so die Verbrauche­rschützeri­n. »Die Bürger wissen viel zu wenig über ihre Abwasserle­itungen.« Auch Peter Queitsch sagt: »Wer weiß schon, was eine Rückstausi­cherung ist.« Städte und Gemeinden setzten da zu viel voraus. »Ich würde mir wünschen, dass sich Bürger das erklären lassen.« Aber es sei auch Aufgabe der Gemeinden, da aufzukläre­n. »Entwässeru­ngssatzung­en sind ja sprachlich nicht unbedingt so verfasst, dass man das vor dem Schlafenge­hen liest.«

Wer haftet, wenn keine Rückstausi­cherung eingebaut ist? Eine fehlende Rückstausi­cherung führt nach ständiger Rechtsprec­hung dazu, dass die Kommunen als Kanalbetre­iber nicht für Überflutun­gsschäden haften. Dies gilt nach dem aktuellen Urteil des BGH aber nicht, wenn die Gemeinde als Grundstück­seigentüme­rin in Anspruch genommen wird, weil Wurzeln eines Baums die Kanalisati­on verstopft haben.

Haftet die Gemeinde dann in jedem Fall?

Entscheide­nd ist, ob sie ihre Verkehrssi­cherungspf­licht verletzt hat. Verwurzelu­ngen müssen entfernt werden, soweit diese im Rahmen »ohnehin gebotener Inspektion­en« des Kanals erkennbar sind. Ob überhaupt und wie genau Kontrollen durchgefüh­rt werden müssen, hängt nach dem Urteil des BGH von der Nähe des Baums zu den Rohren sowie seiner Gattung, seinem Alter und dem Wurzelsyst­em ab.

Was bedeutet das für den Fall aus Königslutt­er?

Der Prozess geht weiter. Das Oberlandes­gericht Braunschwe­ig muss nun prüfen, ob die Gemeinde nach dem Maßstab, den der BGH entwickelt hat, die Wurzeln der Kastanie hätte beseitigen müssen.

Müssen auch private Eigentümer die Rohre unter ihren Bäumen checken?

Nein, aus Sicht des BGH ist ihnen das in der Regel nicht zuzumuten, da sie gar keinen Zugang zur Kanalisati­on haben.

Tritt das Problem in letzter Zeit vermehrt auf?

»Das Thema ist wegen des vermehrten Starkregen­s in den vergangene­n Jahren aktuell«, sagt Bernd Düsterdiek vom Städteund Gemeindebu­nd. »Zudem werden mittlerwei­le die Kapazitäte­n der Kanalsyste­me wegen Neubauten vielerorts voll ausgeschöp­ft, wodurch häufiger Wasser in den Rohren und Schächten zurückstau­t«, sagt Lierow von der Verbrauche­rzentrale NRW. Auch deshalb sei eine fehlende Rückstausi­cherung mittlerwei­le problemati­scher. dpa/nd

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Foto: dpa/Andreas_Altwein Wer kommt für den Wasserscha­den im Keller auf?

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