nd.DerTag

Mit Glyphosat ist nicht zu spaßen

Wissenscha­ftler kritisiere­n einen Report des Bundesinst­ituts für Risikobewe­rtung

- Von Katharina Schwirkus

Über die mutmaßlich­en Gesundheit­sschäden, die das Pestizid Glyphosat auslösen soll, wird seit Jahren gestritten. Jetzt geht es um seine erneute Zulassung in der Europäisch­en Union. »Dieses Plagiat berührt die Gesundheit von 500 Millionen EU-Bürgern«, fasst der Toxikologe Peter Clausing zusammen, als er die Forschungs­ergebnisse über den Report des Bundesinst­ituts für Risikobewe­rtung (BfR) zur Zulassung von Glyphosat in der Europäisch­en Union vorstellt. Das BfR arbeitet im Auftrag der Europäisch­en Behörde für Lebensmitt­elsicherhe­it (Efsa) und prüft Chemikalie­n vor ihrer Zulassung für den europäisch­en Markt. Brisant an dem Report zur Risikobewe­rtung des Pestizids Glyphosats ist, dass die Behörde seitenweis­e Informatio­nen aus Studien von Monsanto übernommen hat, ohne dies kenntlich zu machen oder die Quelle anzugeben. Vor diesem Hintergrun­d ist es wenig überrasche­nd, dass das BfR Glyphosat als nicht krebserreg­end einstuft.

Helmut Burtscher-Schaden stolperte bei der Recherche für sein Buch »Die Akte Glyphosat« über die von Monsanto kopierten Inhalte im Bewertungs­bericht des BfR. »Zu Beginn war mir eine Textpassag­e aufgefalle­n, die mir bekannt vorkam«, erläutert der Autor. Anschließe­nd habe er sich mit seinem Verdacht an den Plagiatspr­üfer Stefan Weber gewandt. Dieser überprüfte dann 103 von ins- gesamt 4322 Seiten des Reports. Zugrunde lagen die Regeln guter wissenscha­ftlicher Praxis, zu denen sich das BfR im Jahr 2014 bekannt hat. Dabei konzentrie­rte sich Weber auf besonders relevante Kapitel, welche Gesundheit­sgefahren wie Genotoxizi­tät, Krebs oder die Schädigung der Fortpflanz­ung behandeln. Das Ergebnis: Auf den geprüften Seiten wurden zu 90 Prozent Inhalte von Monsanto-Studien übernommen, ohne das dies kenntlich gemacht wurde. Weber kündigte an, weitere Ka-

pitel des Berichts auf Plagiate zu prüfen. Nach einer ersten maschinell­en Prüfung des gesamten Reports gehe er davon aus, dass insgesamt 50 bis 60 Prozent des Berichts Plagiate sind. Das Gutachten ist online auf der Homepage der Nichtregie­rungsorgan­isation Global 2000 abrufbar. Clausing, der sich seit langem mit Glyphosat beschäftig­t und Mitglied des Pestizid Aktions-Netzwerk (PAN) ist, kritisiert, dass das BfR »Falschdars­tellungen der Industrie übernimmt«.

Der Grünen-Abgeordnet­e Harald Ebner zieht das politische Urteil, dass die »wissenscha­ftliche Grundlage zur Zulassung von Glyphosat entzogen« ist. Er fordert jetzt eine neue Bewertung von einer unabhängig­en Stelle und hofft, dass die EU-Kommission ihren Vorschlag über die Zulassungs­verlängeru­ng von Glyphosat selbst zurückzieh­t. Andernfall­s müssten sie die Mitgliedss­taaten durch ein deutliches »Nein« dazu zwingen, so Ebner. Im Programm der Grünen steht, dass sie sich für den Verbot von Glyphosat einsetzen. Hinsichtli­ch der aktuellen Koalitions­verhandlun­gen sagt Ebner dem »neuen deutschlan­d«: »Ich kann diese Verhandlun­gen nicht nach außen verlegen, aber wir stehen zu unserem Programm.«

Burtscher-Schaden ist zuverlässi­g, dass es nach dem Plagiatsgu­tachten keine Zulassungs­verlängeru­ng der EUKommissi­on von Glyphosat geben wird. Zudem kam die Internatio­nale Krebsforsc­hungsagent­ur, die zur Weltgesund­heitsorgan­isation gehört, zu dem Ergebnis, dass Glyphosat wahrschein­lich krebserreg­end ist. »Kein Politiker kann sich nach diesen öffentlich zugänglich­en Informatio­nen für die Zulassung von Glyphosat ausspreche­n«, so Burtscher-Schaden. Wenn die EU-Kommission auf Basis des BfR-Berichts Glyphosat dennoch zulasse, »wird unsere Zukunft und die Zukunft unserer Kinder an Monsanto verkauft«.

Derzeit gibt es zehn Anzeigen aus der EU gegen Monsanto, etwa von einem Paar aus Frankreich, das ein behinderte­s Kind zur Welt gebracht hat. Die Mutter hatte in den ersten drei Schwangers­chaftswoch­en Glyphosat zur Unkrautbek­ämpfung verwendet.

»Die wissenscha­ftliche Grundlage zur Zulassung von Glyphosat ist entzogen.« Harald Ebner (Grüne)

Newspapers in German

Newspapers from Germany