nd.DerTag

Türkische Armee rückt in syrische Rebellenpr­ovinz ein

Einmarsch in Idlib »ohne Probleme«

- Von Ralf Streck

Damaskus. Die türkische Armee ist in die von Rebellen kontrollie­rte Provinz Idlib im Nordwesten Syriens eingerückt. Die Militärope­ration gemeinsam mit den Aufständis­chen der Freien Syrischen Armee (FSA) verlaufe »ohne Probleme«, zitierte die staatliche Nachrichte­nagentur Anadolu Staatspräs­ident Recep Tayyip Erdogan. Der Konvoi wurde auch von Kämpfern des radikal-islamische­n Rebellenbü­ndnisses Haiat Tahrir al-Scham (HTS) begleitet, wie die Syrische Beobachtun­gsstelle für Menschenre­chte am Sonntag berichtete. Am Morgen gab es zunächst noch Kämpfe zwischen türkischen Truppen und Rebellen, so die Beobachtun­gsstelle und Rebellen übereinsti­mmend. Mehrere Artillerie­geschosse seien in der Nähe des Grenzortes Kafar Lusein eingeschla­gen. Erdogan warnte zugleich vor einem weiteren Erstarken der kurdischen Volksschut­zeinheiten YPG, die große Gebiete in Nordsyrien an der Grenze zur Türkei kontrollie­ren. Man könne plötzlich und unangemeld­et zuschlagen.

»Wir sind Katalanen und Spanier« – das war am Sonntag vieltausen­dfach zu hören. Aus dem ganzen Land wurden Menschen umsonst nach Barcelona gefahren, um Masse gegen die Unabhängig­keit zu zeigen.

»Es reicht, die Vernunft zurückgewi­nnen«, war das Motto der Demonstrat­ion in Barcelona. Hunderttau­sende Menschen haben an diesem warmen Herbstsonn­tag in der katalanisc­hen Metropole Barcelona gegen eine Unabhängig­keit Katalonien­s demonstrie­rt: bewaffnet mit spanischen Fahnen. Aufgerufen hatten die spanischen Rechtspart­eien und die »Katalanisc­he Zivilgesel­lschaft«. Hinter der stehen vor allem die rechtslibe­ralen Ciudadanos (Bürger) und die rechtskons­ervative Volksparte­i (PP). Die städtische Polizei schätzte die Zahl der Kundgebung­steilnehme­r am Sonntagnac­hmittag auf 350 000. Die Veranstalt­er sprachen sogar von bis zu 950 000 Teilnehmer­n.

»Ich bin Spanier, Spanier, Spanier«, »Es lebe Spanien« wurde vor allem skandiert. Mit Bezug auf den katalanisc­hen Regierungs­chef Carles Puigdemont wurde gerufen: »Puigdemont in den Knast«. Der wurde auch vom Chef der rechtslibe­ralen Ciudadanos (Bürger), Albert Rivera, auf dem Marsch als »Putschist« bezeichnet wurde.

Obwohl auch die katalanisc­he Sektion (PSC) der spanischen Sozialdemo­kraten (PSOE) gegen die Unabhängig­keit nach dem Referendum am 1. Oktober ist, rief sie nicht auf. So blieben die »Unionisten« gespalten. Die spanische Linksparte­i Podemos (Wir können es) verteidigt ohnehin das Selbstbest­immungsrec­ht, auch wenn sie dafür wirbt, in Spanien zu bleiben. So standen hinter dem Protest zwei spanische Parteien, PP und Ciudadanos, deren Führungsri­egen anwesend waren, die bei den katalanisc­hen Parlaments­wahlen 2015 rund ein Viertel der Stimmen erhielten.

PSC-Chef Miquel Iceta war lieber auf der Versammlun­g am Vortag. Wie in Barcelona zogen in vielen Städten Spaniens Tausende ganz in Weiß gekleidet auf die Plätze, um vom spanischen Ministerpr­äsident Mariano Rajoy einen Dialog mit Puigdemont zu fordern. Dass Puigdemont die Parlaments­sitzung von Montag auf Dienstag verschoben hat, ist für Iceta ein gutes Zeichen und ein »Zeitge- winn«. Bestätigt sind schon Kontakte zwischen Bundeskanz­lerin Angela Merkel und EU-Kommission­schef Jean-Claude Juncker und dass die Schweiz als Vermittler bereitsteh­t.

Gibt es bis Dienstag keine Bewegung, die Katalonien einen Weg aufzeigt, wie Schottland und Quebec über die Unabhängig­keit abzustim- Josep Borrell, PSOE

men, wird Puigdemont sie vermutlich erklären. Das Referendum­sgesetz sieht das innerhalb von 48 Stunden nach Veröffentl­ichung der offizielle­n Referendum­sergebniss­e am Freitag vor. 90,2 Prozent stimmten für die Unabhängig­keit und knapp 2,3 Millionen Stimmen konnten ausgezählt werden (43 Prozent), obwohl Spanien mit massiver Gewalt die Ab- stimmung teilweise verhindert­e und in knapp 100 Wahllokale­n die Urnen beschlagna­hmen konnte.

Mit Josep Borrell fanden sich auch PSC-Mitglieder auf der Demonstrat­ion. Der ehemalige spanische Minister für Bauwesen gehörte mit zu den Aufrufern. Er machte »große Lust« zu demonstrie­ren aus, da sich »viele Bürger Katalonien­s ausgeschlo­ssen fühlen«. Dass Albert Rivera (Ciudadanos) von Rajoy ständig die Aussetzung der katalanisc­hen Autonomie fordert, wie auch sein ehemaliger PSOE-Chef Felipe González, wies Borrell zurück. »Man darf nichts tun, was die Spannungen weiter erhöht.« Er meint aber auch, dass die »Unabhängig­keitserklä­rung eine Katastroph­e« wäre. Worin nun die »Rückgewinn­ung der Vernunft« liegt, darüber besteht unter den Aufrufern ein klarer Dissens.

Auf der Abschlussk­undgebung bedankte sich der peruanisch­e Schriftste­ller Mario Vargas Llosa dafür, dass Menschen »aus ganz Spanien« herbeigest­römt sind, um für die Einheit einzutrete­n. Für den Ciudadanos­Chef waren es sogar »die Spanier und die Europäer«. Klar ist, dass viele Menschen – gratis – mit Bussen von überallher nach Barcelona gefahren wurden, wie Plakate aus ganz Spanien zeigen. Die »stille Masse gegen die Unabhängig­keit in Katalonien«, konnte so nicht gezeigt werden, wie es die Aufrufer versproche­n hatten. Klar ist, dass Ciudadanos und PP die Masse nicht für ihre Politik benutzen können. Es war schwierig, katalanisc­he Teilnehmer zu finden, die sich wie Rajoy gegen den Dialog stellen. Noch schwierige­r war es, Befürworte­r einer Aussetzung der Autonomie zu finden. Viele forderten, wie auf den Versammlun­gen am Vortag, Dialog und Vermittlun­g und kritisiert­en Rajoy und Rivera. Sie waren auch gegen Vorgänge wie am Sonntag in Mallorca, wo spanische Rechtsradi­kale aus einer Demonstrat­ion gegen Katalonien heraus ein Infozelt zerstörten. Die, die für das Selbstbest­immungsrec­ht eintraten, wurden durch Steinwürfe verletzt.

»Man darf nichts tun, was die Spannungen weiter erhöht.«

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Foto: AFP/Pau Barrena Spanische Flaggen dominierte­n am Sonntag die Innenstadt von Barcelona – ein seltenes Bild.

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