Lega will mehr Autonomie
Lombardei und Venetien stimmen ab – ohne Folgen
Autonomiebestrebungen wallen auch in Italien immer mal wieder auf. Ob Südtirol oder Aostatal, Friaul oder die »Republik Venedig« – stets richten sich die Bestrebungen gegen reale oder empfundene Bevormundung durch Rom. Die in den 1980er Jahren entstandene Lega Nord trat zeitweilig für eine staatliche Abspaltung des reicheren Nordens – »Padaniens« – vom restlichen Italien ein. Inzwischen ist die von Matteo Salvini geführte Partei von diesem Programm abgerückt und strebt eher ein föderalistisches System in Italien an. Ein Schritt dahin sollen die Referenden in den von der Lega geführten Regionen Lombardei und Venetien sein. Am 22. Oktober sind die Bürger beider Regionen aufgerufen, über mehr Autonomie und einen »differenzierten Regionalismus« abzustimmen. Im Endeffekt geht es den beiden reichen Regionen darum, keine weiteren Gelder in den Süden transferieren zu müssen.
Da die Initiatoren der Volksbefragung weder den Staat Italien noch seine Verfassung in Frage stellen, bekamen sie sowohl von der Regierung als auch vom Verfassungsgericht grünes Licht für die Abhaltung der Referenden. Anders als in Katalonien geht es nicht um die mögliche Abspaltung von Rom und die Ausrufung eines eigenen Staats. Die Frage, die in beiden Regionen gestellt wird, lautet: »Wollen Sie, dass der Region zusätzliche Formen von Autonomie erlaubt und zusätzliche Kompetenzen über ihre Ressourcen gegeben werden?«
Angestrebt wird dabei der Einbehalt von Steuergeldern. Zugleich wollen die Gouverneure Roberto Maroni und Luca Zaia (beide Lega) nach einem erfolgten »Ja« Verhandlungen mit Rom anstrengen, die den Regionen einen ähnlichen Status wie Aosta, Südtirol oder Friaul-Julisch Venetien zubilligen sollen. »Während sie dort 90 Prozent ihrer Steuern behalten dürfen, müssen wir Venezianer jährlich 15 Milliarden Euro an Rom abtreten«, beklagt sich Luca Zaia.
Kritiker indes bezeichnen die bevorstehenden Volksabstimmungen als »unnütze Geldverschwendung«. Bereits jetzt habe man 15 Millionen Euro für Werbung in den öffentlichen Medien ausgegeben. Der lombardische Regionalchef Maroni drängt auf elektronische Abstimmung und hat für diesen Zweck 24 000 Tablets anschaffen lassen – für 50 Millionen Euro. Und dies, obwohl nicht klar ist, ob so wie in Venetien nicht doch per Stimmzettel votiert wird. »Sie wollen kein Geld nach Rom transferieren, werfen es aber mit offenen Händen zum Fenster raus«, kommentierte Matteo Renzis Demokratische Partei die Referendumsvorbereitungen.
Darüber hinaus hat die Abstimmung in 14 Tagen keinen praktischen politischen Wert. Zwar kann das Wahlvolk seine Meinung äußern – in Venetien braucht es dabei eines Quorums von 50 Prozent plus einer Stimme –, doch hat es für die italienische Politik keine relevanten Auswirkungen. Regionen, die nicht verfassungsgemäß mit einem Autonomiestatus versehen sind, können die Entscheidungen, die die Lega-Politiker gern wünschten, gar nicht treffen. So wäre ein Sieg vor allem ein Signal an Rom und das ganze Land, inwieweit mit der Lega Nord bei den Parlamentswahlen im Frühjahr 2018 zu rechnen sei.