nd.DerTag

Machtstreb­en statt Wählerwill­en

Zu »Dobrindt sieht schwarz für Jamaika«, 6.10., S. 8

- Wolfgang Waitz, Auerbach

Deutschlan­d hat gewählt und ca. 75 Prozent der Wahlberech­tigten haben ihre Stimme »abgegeben«. Auf alle Wahlberech­tigten bezogen waren rund 25 Prozent für die CDU. Wenn man die Nichtwähle­r, die offensicht­lich gegen alle Parteien sind oder die freien demokratis­chen Wahlen als sinnlos erachten, ebenfalls als CDU-Gegner betrachtet, leitet also die CDU/CSU ihren »Wählerauft­rag zur Regierungs­bildung« daraus ab, dass einer von vier Wahlberech­tigten für sie gestimmt hat.

Hieraus den Anspruch abzuleiten, die Politik und damit das Leben aller Bürger bestimmen zu können, ist doch sehr anmaßend. Nun hat die CDU/CSU deutlich an »Wählerzust­immung« verloren, was aber nicht auf Fehler beim Wahlkampf zurückzufü­hren sei. Der Fehler liegt offensicht­lich anderswo, z. B. bei der bisherigen Politik als führende Kraft in den Koalitione­n. Weitere Verluste resultiere­n auch aus dem Wegsterben der kritiklose­n Stammwähle­r.

Wer jünger ist und sich auf ein unsicheres, weil möglicherw­eise öfters unterbroch­enes Berufslebe­n mit anschließe­nder Altersarmu­t einstellen kann bei einer Weiterführ­ung der »alternativ­losen« Weiter-so-Politik, hat natürlich wenig Interesse daran, hierfür seine Stimme »abzugeben«. Aktuell wird wohl Jamaika kommen, weil man nach Macht und nicht nach Erfüllung des wirklichen Wählerauft­rages und -willens strebt.

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