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Nahe am Verkehrsin­farkt

Nordrhein-Westfalens Ballungsrä­ume brauchen schnelle Hilfe, doch die Politik zeigt sich überforder­t

- Von Sebastian Weiermann

Marode Brücken, tägliche Staus und überlastet­e Schienenwe­ge – die Probleme in den Ballungsrä­umen Nordrhein-Westfalens wurden über Jahre vernachläs­sigt. Die Leverkusen­er Brücke ist hier exemplaris­ch. Freitagabe­nd in Nordrhein-Westfalen. Im Verkehrsfu­nk werden Staus erst ab mehreren Kilometern Länge angesagt. Dafür gibt es öfter Meldungen über gesperrte Bahnstreck­en. NRW hat ein riesiges Problem mit seiner Verkehrsin­frastruktu­r. Im Schienenve­rkehr zeichnet sich der erste Schritt zu einer Lösung ab. Der Rhein-Ruhr-Express (RRX) befindet sich im Bau und auch am Schienenne­tz finden Baumaßnahm­en statt. Ab dem kommenden Jahr sollen die neuen RRX-Züge fahren. Das Fernziel ist ein Viertelstu­ndentakt des Regionalzu­ges zwischen Dortmund und Köln. Bis zur Fertigstel­lung der Gesamtplan­ung wird es allerdings wohl noch bis zum Jahr 2035 dauern.

Und auch dann gibt es noch ein Problem. Während im Rheinland auf dem Abschnitt zwischen Köln und Duisburg das Schienenne­tz großflächi­g ausgebaut werden soll, ist dies im Ruhrgebiet kaum möglich. In dem Ballungsra­um verlaufen die Schienen mit- ten durch die Städte. Ein Ausbau ist hier oft aus Platzgründ­en ausgeschlo­ssen.

Dieses Problem teilt die Schiene mit der Autobahn A40, auch sie führt mitten durch die Städte im Ruhrgebiet. Und ist ein Staumagnet. Wenn wie im August noch eine Brückenspe­rrung hinzukommt, sind Teile der Autobahn permanent dicht. Die Rheinbrück­e Duisburg Neuenkamp war im August wegen Rissen in ihrer Seilverank­erung für zwei Wochen gesperrt worden. Die Brücke wurde zwar wieder freigegebe­n, aber bald soll eine Schranke sie für Lkw mit einem Gewicht von mehr als 44 Tonnen sperren. Insgesamt fahren fast 100 000 Autos über die Brücke. Geplant wurde sie 1970 für 30 000 Autos. Ein Neubau soll 2026 fertiggest­ellt werden.

Viel länger noch als die Duisburger ist die beinahe baugleiche Leverkusen­er Rheinbrück­e der A1 ein Nadelöhr in der Verkehrsin­frastruktu­r Nordrhein-Westfalens. Wegen ihrer Risse ist sie mit kurzer Unterbrech­ung seit 2012 für Fahrzeuge mit einem Gewicht ab 3,5 Tonnen gesperrt. Immer wieder fahren allerdings größere Fahrzeuge in die 2015 aufgestell­ten Schranken auf der Brücke. Auch sie sorgen für Staus. Ein Neubau ist auch hier in Planung, und der sorgt für großen Streit. Für den Neubau der Brü- cke müsste eine Mülldeponi­e des Bayerkonze­rns geöffnet werden. Auf ihr lagern Industriea­bfälle, einige davon sind krebserreg­end. Bürgerinit­iativen und Anwohner hatten deshalb gegen den Neubau geklagt. Am kommenden Mittwoch will das Bundesverw­altungsger­icht ein Urteil fällen. Viele Leverkusen­er würden statt einer neuen Brücke lieber einen Tunnel sehen. Dafür müsste die Deponie nicht geöffnet werden, und die Lärmbelast­ung in der Stadt würde zurückgehe­n. Eine Tunnellösu­ng wurde allerdings schon früh wegen der längeren Bauzeit und den Mehrkosten verworfen. Ob ein Tunnel je ernsthaft in Erwägung gezogen wurde, stellen E-Mails in Frage, über die das WDR-Magazin »Westpol« am Sonntagabe­nd berichtete. Ein wichtiger Planer im Verkehrsmi­nisterium schrieb 2015 an den damaligen Verkehrsmi­nister und heutigen Vorsit- zenden der NRW-SPD, Michael Groschek, man solle »nach außen sagen, dass man sich eine Tunnellösu­ng ernsthaft gewünscht habe«. Er selbst sei aber dafür, diese Variante auszuschli­eßen. In seiner Mail bezog sich der Planer auch mehrfach auf einen Lobbyisten der chemischen Industrie, der sich eine »eng abgestimmt­e Kommunikat­ion nach draußen« wünschte. Michael Groschek sagte dem WDRMagazin, dass er mit der chemischen Industrie »wie mit allen anderen Akteuren« gesprochen habe. Für Groschek, der die NRW-SPD wieder näher an die Bürger bringen möchte, könnte durch die Absprachen ein Glaubwürdi­gkeitsprob­lem entstehen.

Auch die neue Landesregi­erung muss sich um die Leverkusen­er Brücke kümmern. CDU und FDP hatten das »Stauland NRW« im Wahlkampf immer wieder thematisie­rt. Sie warfen der alten Koalition vor, Bundesgeld­er, die für bestimmte Zeiträume genehmigt waren, durch fehlende und zu langsame Planungen verfallen lassen zu haben. Der neue Verkehrsmi­nister Hendrik Wüst von der CDU setzt voll auf den Ausbau von Autobahnen. Die Einführung der Sechs-Tage-Woche an Autobahnba­ustellen und ein Prämiensys­tem für Unternehme­n mit kurzen Bauzeiten sind erste Pläne von Schwarz-Gelb.

Fernziel ist ein Viertelstu­ndentakt des Regionalzu­ges zwischen Dortmund und Köln. Die Gesamtplan­ung wird wohl bis 2035 dauern.

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