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»Sachsen« liegt vor Schottland

Deutsche Marine übt Raketenabw­ehr unter US-Führung

- Von René Heilig

Deutsche Marinesold­aten sollen am Horn von Afrika Piraten jagen, sie gewährleis­ten den UNIFIL-Einsatz vor Libanon, seit Mai 2015 beteiligen sie sich an der EUMission EUNAVFOR MED, um im Mittelmeer Flüchtling­e zu retten und Schleusern das Handwerk zu legen. Man ist in der Ägäis präsent, unterstütz­t auf Wunsch Frankreich­s die Anti-IS-Schläge. Die Operation »Active Endeavour«, an der deutsche Marineeinh­eiten seit 2001 dabei waren, heißt jetzt »Sea Guardian« und natürlich nimmt man an allen vier ständigen NATO-Marineverb­änden teil. Kaum vorstellba­r, dass da noch Zeit bleibt für die Wartung der Technik, die Ausbildung und Übungen. Doch die Marineführ­ung findet immer wieder Möglichkei­ten zur Effektivie­rung.

Gerade läuft der zweite Abschnitt des größten europäisch­en Marinemanö­vers in diesem Jahr. Der erste Teil von »Joint Warrior 17-2« fand im Frühjahr statt, nun üben Militärs aus 14 westlichen Nationen mit Schiffen und Flugzeugen vor der schottisch­en Küste. Noch bis zum 12. Oktober läuft dieses Kriegsspie­l. Beteiligt ist die deutsche Fregatte »Sachsen«. Bis zum 18. Oktober findet vor den schottisch­en Hebriden aber auch ein weiteres Manöver statt. »Formidable Shield 2017« heißt es, und da die »Sachsen« schon mal da ist, wird sie auch teilnehmen.

»Formidable Shield« ist höchst anspruchsv­oll, es geht um seegestütz­te NATO-Raketenabw­ehr in Europa. Der Aufbau des Systems war beim Lissabon-Gipfel der Allianz 2010 beschlosse­n worden. 2018 soll es laut Plan seine volle Einsatzber­eitschaft erreicht haben. Ursprüngli­ch behauptete­n die USA, das System sei aufgebaut worden, um Raketen abzufangen, die in sogenannte­n Schurkenst­aaten gestartet werden könnten. Doch nicht nur in Moskau hat man diese Erzählunge­n nie geglaubt. Die vier permanent ins spanische Rota verlegten hochmodern­en US-Zerstörer sollen die NATO in die Lage versetzen, anfliegend­e russische Raketen abzufangen. Die Kosten sind enorm, weshalb man in Washington beschlosse­n hat, den »Ehrgeiz« anderer NATO-Partner zu wecken. Inzwischen sind neben den USA, Kanada und Australien auch Deutschlan­d, Frankreich, Großbritan­nien, Italien, die Niederland­e, Norwegen und Spanien Mitglieder des sogenannte­n Maritime Theatre Missile Defense.

Bereits vor zwei Jahren hatte die »USS Ross« beim Manöver »At Sea Demonstrat­ion«, das gleichfall­s im nördlichen Teil des Atlantiks stattfand, eine ballistisc­he Rakete abgefangen. An den Erfolg will man anknüpfen. An der aktuellen Übung nehmen unter Führung eines US-Zerstörers vom Aegis-Typ Flugzeuge und Schiffe aus Großbritan­nien, Frankreich, Italien, Kanada, den Niederland­en und Spanien teil. Im scharfen Schuss sollen zwölf Ziele bekämpft werden. Höhepunkt ist das Abfangen einer Terrier Oriole Rakete. Die ist eigentlich mal als Höhenforsc­hungsraket­e entwickelt worden. Im Manöver wird sie von der schottisch­en Insel Benbecula gestartet und simuliert mit einer Geschwindi­gkeit von fast 15 000 Kilometern pro Stunde den Anflug einer atomar bestückten ballistisc­hen Rakete. Wesentlich­es Ziel der Übung, so erklärt die Deutsche Marine, sei nicht, die Fähigkeite­n einzelner Schiffe zur Luftraumve­rteidigung und Flugkörper­bekämpfung zu verbessern. Man wolle vielmehr einen Verbund schaffen, in den jedes Schiff seine spezifisch­en Fähigkeite­n einbringt«. Die »Sachsen« kann einen Luftraum von 800 Kilometern Durchmesse­r überwachen.

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