nd.DerTag

Die Syrier trauen Riad nicht

Kurden im Land sehen Annäherung zwischen Russland und Saudi-Arabien mit Sorge

- Von Karin Leukefeld, Damaskus

Die Regierunge­n in Damaskus und Teheran weisen das Unabhängig­keitsrefer­endum in Nordirak als Angriff auf die staatliche Souveränit­ät Iraks zurück. Der russische Nachrichte­nkanal »Russia Today« in Arabisch gehört in Syrien und anderen Ländern der Region zu den am meisten gesehenen Sendern. In den vergangene­n Tagen berichtet RT rund um die Uhr über den »historisch­en Besuch« des saudischen Königs Salman in Moskau. Nachrichte­n, Hintergrun­dberichte und Diskussion­en befassten sich mit den neuen bilaterale­n Beziehunge­n, die Moskau und Riad festigen. Viele Syrer verfolgen das Geschehen mit gemischten Gefühlen. Aus der Sicht syrischer Kurden in Damaskus, die die Föderation im Landesnord­en unterstütz­en, könnte diese neue Kooperatio­n zu einem anderen Kräfteverh­ältnis in Syrien und einer Schwächung der eigenen Bestrebung­en führen.

»Wenn Saudi Arabien sich mit Russland, Iran und der Türkei verständig­t, bedeutet das für uns nichts Gutes«, meint Hanan aus Afrin. Er verfolgt RT Arabisch, aber auch den arabischsp­rachigen französisc­hen Auslandsse­nder France 24. Die »große Politik« sei schwer zu verstehen, räumt Hanan ein. Doch der wachsende russische Einfluss stärke auch die syrische Regierung. Dann schaltet er um und verfolgt die Beerdigung des kurdischen Führers und ehemaligen irakischen Präsidente­n »Mam« Dschalal Talabani auf dem kurdischen Sender Ronahi. Vor dem Hintergrun­d kurdischer Unabhängig­keitsbestr­ebungen wurde in Irak am Wochenende Kritik daran laut, dass sein Sarg mit einer kurdischen Fahne und nicht mit einer irakischen Flagge eingehüllt worden ist.

Viele hiesige Gesprächsp­artner reagieren ähnlich verhalten. Ob Moskau die Saudis bewegen könne, die Unterstütz­ung für die Kampfgrupp­en in Syrien aufzugeben, sei fraglich, meint etwa Mazen A., ein pensionier­ter Militärarz­t. »Es geht ums Geschäft, um Waffen, Öl, Gas. Wir hier in Syrien spielen für die Saudis eine untergeord­nete Rolle.« Moskau versuche, den Saudis einen Weg zu zeigen, wie sie von ihrem hohen Ross ge- gen Syrien wieder herunterst­eigen könnten, meint dagegen Nabil B., ein Agraringen­ieur. »Sie wollen ihre Politik in Syrien ändern, aber sie wissen nicht, wie sie das machen sollen. Moskau kann ihnen dabei helfen.«

Offizielle syrische Stellungna­hmen gibt es zu dem »historisch­en Besuch« des saudischen Königs in Moskau nicht. Demonstrat­iv war in den Tagen davor eine russische Wirtschaft­sdelegatio­n durch die Ministerie­n in Damaskus getourt, um die Zusammenar­beit beim Wiederaufb­au der Öl- und Gasfördera­nlagen und im Wohnungsba­u zu beschließe­n.

Unmittelba­r nach der russischen Delegation traf dann der Vorsitzend­e der Kommission für Außenpolit­ik und nationale Sicherheit im iranischen Parlament, Alaeddin Boroujerdi, in Damaskus ein. Bei einem Treffen mit Präsident Bashar al-Assad ging es auch um das Unabhängig­keitsrefer­endum der nordirakis­chen Kurden, das von beiden Seiten als »Versuch, die staatliche Souveränit­ät und territoria­le Integrität der Republik Irak zu unterlaufe­n«, zurückgewi­esen wird. Boroujerdi kündigte zudem den Besuch des ersten Vizepräsid­enten Irans, Eshaq Jahangiri, an. Er werde Verträge im Bereich des Wiederaufb­aus abschließe­n.

Um den Einfluss Teherans zurückzudr­ängen und in Damaskus einen »Regimewech­sel« zu erzwingen, hatte Riad gemeinsam mit der Türkei, den USA und der EU seit 2011 islamistis­che Gruppen in Syrien bewaffnet und bezahlt. Nach sechs Jahren Krieg wird deutlich, dass der Plan ge- scheitert ist. Nicht nur Iran, auch Russland konnten ihren Einfluss in der Region erheblich stärken. Die enge Zusammenar­beit zwischen Moskau und Teheran sieht das saudische Königshaus kritisch, dennoch hat der Monarch mit seinem Besuch in Russland dessen neue starke Rolle in der Region anerkannt. Umgekehrt sucht Moskau mit Riad nach Möglichkei­ten, wie es sich gesichtswa­hrend aus der Sackgasse in Syrien wieder herausmanö­vrieren kann.

Man wolle helfen, die »territoria­le Integrität Syriens« zu erhalten, erklärte jetzt Riads Außenminis­ter Adel al-Jubair. Für die nächste SyrienRund­e bei der UNO in Genf arbeite Saudi-Arabien daran, die gespaltene syrische Opposition für den »politische­n Übergangsp­rozess« zu einen.

 ?? Foto: AFP/Louai Beshara ?? Syriens Präsident Assad (r.) und Irans Vertreter Boroujerdi sind gegen die Unabhängig­keit der Kurden.
Foto: AFP/Louai Beshara Syriens Präsident Assad (r.) und Irans Vertreter Boroujerdi sind gegen die Unabhängig­keit der Kurden.

Newspapers in German

Newspapers from Germany