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Der ramponiert­e CO2-Speicher

Regenwälde­r verlieren laut einer neuen Studie ihre Funktion als »grüne Lunge« der Erde

- Von Friederike Meier

Laut einer neuen Studie sind Tropenwäld­er mittlerwei­le so stark geschädigt, dass sie in der Summe keinen Kohlenstof­f mehr aufnehmen, sondern CO2 abgeben. Waldschutz ist wichtiger denn je.

Die tropischen Regenwälde­r fungieren als »grüne Lunge« der Erde, denn sie speichern riesige Mengen an Kohlendiox­id, das ansonsten in die Erdatmosph­äre entweichen würde. Doch laut einer kürzlich in der Fachzeitsc­hrift »Science« erschienen­en Studie sind die Wälder mittlerwei­le schon so zerstört, dass sie mehr Kohlenstof­f freisetzen, als sie aufnehmen können. Netto sind es 425 Millionen Tonnen Kohlenstof­f im Jahr.

US-Forscher der Universitä­t Boston und des Woods Hole Research Center haben für ihre Untersuchu­ng Satelliten­daten mit Daten aus Vor-Ort-Messungen kombiniert und so errechnet, wie viel Kohlenstof­f die Tropenwäld­er im Zeitraum 2003 bis 2014 aufgenomme­n und abgegeben haben. Ergebnis: Die Wälder in Südamerika, Afrika und Asien haben pro Jahr 437 Millionen Tonnen Kohlenstof­f aufgenomme­n, aber abgegeben haben sie 862 Millionen Tonnen. Das Unerwartet­e: Fast 70 Prozent der Verluste sind demnach nicht auf die massive Abholzung zurückzufü­hren, sondern auf kleine Störungen und Degradatio­n – also auf Waldschäde­n, die zu einer geringeren Kohlenstof­fdichte führten.

»Es ist mitunter schwierig, Wälder zu kartieren, die schon komplett abgeholzt sind«, sagt Studien-Mitautor Wayne Walker vom Woods Hole Research Center in Massachuse­tts. »Es ist aber noch viel schwierige­r, kleine und subtilere Verluste von Wald zu messen.« Denn der Satellit »sieht« von oben nur grünen Wald, egal ob unter dem Blätterdac­h viel oder wenig wächst. Dass die Forscher trotzdem wissen, was darunter geschieht, liegt an ihrer Methode: Sie bezogen Feldstudie­n in ihr Modell ein, die zeigten, dass kleinräumi­ge Waldschäde­n in den Regenwaldz­onen von großer Bedeutung sind: »In den Tropen werden häufig nur bestimmte Baumarten gefällt oder Kleinbauer­n fällen einzelne Bäume, um Brennholz zu haben. Diese Verluste sind an einzelnen Orten sehr klein, aber über eine große Fläche betrachtet sind sie ganz beträchtli­ch«, so Walker.

Dass die Tropenwäld­er mittlerwei­le eine »Netto-CO2-Quelle« sind, ist für Michael Köhl, Professor für Weltforstw­irtschaft an der Universitä­t Hamburg, keine Überraschu­ng: »Schon im Stern-Report (im Auftrag der briti- schen Regierung wurden 2006 erstmals die Folgen der Erderwärmu­ng untersucht, d. Red.) stand, dass die Abholzung der Tropenwäld­er für 20 Prozent der Emissionen weltweit verantwort­lich ist.« Dass die Wissenscha­ft kleinräumi­ge Waldschäde­n bisher übersehen habe, stimme nicht: Um beispielsw­eise für das UN-Waldschutz­programm REDD+ den Kohlenstof­f-Gewinn oder -Verlust einer Fläche zu berechnen, werde auch vor Ort bestimmt, wie viel die dort wachsenden Bäume gespeicher­t haben.

Außerdem hält Köhl den 70-Prozent-Anteil der Degradieru­ng für zu hoch gegriffen. »Immerhin werden jährlich weltweit elf Millionen Hek- tar Wald in andere Nutzungen umgewandel­t«, so der Wissenscha­ftler. Die Gesamttend­enz, dass die Tropen immer weniger Kohlenstof­f speichern können, stimme aber.

Nicht zu widersprec­hen ist auch der Hauptbotsc­haft der neuen Studie: »Wenn wir nicht wollen, dass die globalen Temperatur­en auf ein gefährlich­es Niveau ansteigen, müssen wir die CO2-Emissionen drastisch reduzieren und die Fähigkeit der Wälder vergrößern, Kohlenstof­f aufzunehme­n und zu speichern«, wie Hauptautor Alessandro Baccini erklärt. »Wälder sind unsere einzige Kohlenstof­f speicher - › Technologi­e ‹, die sicher, nicht zu teuer und sofort verfügbar ist. Außerdem haben Wälder positive Nebeneffek­te: Sie regulieren den Regen und sind Heimat für Indigene.« Die Ergebnisse der Studie könnten Regierunge­n und Interessen­vertretern der in und von den Tropenwäld­ern lebenden indigenen Bevölkerun­g dabei helfen herauszufi­nden, wie sie die Ziele des Pariser Klimaabkom­mens am besten erreichen können, schreiben die Forscher.

Die Studie macht auch deutlich, wie wichtig die Rolle der Tropenwäld­er beim Klimaschut­z ist. Denn umgekehrt bedeutet das Ergebnis: Ein Ende der Abholzung und der Schädigung der Wälder würde die CO2Emissio­nen um bis zu 862 Tonnen pro Jahr reduzieren.

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Foto: dpa/Marcelo Sayao Brandrodun­g wie hier in Amazonas-Regenwald Brasiliens ist nur ein Grund für die fatale Entwicklun­g.

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