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ÖPNV gleich Schulbus

Enquetekom­mission des Landtags wertet Umfrage zum Öffentlich­en Nahverkehr aus

- Von Wilfried Neiße

Da der Schulbus vielerorts die einzige Möglichkei­t für Senioren ist, zum Arzt in die Stadt zu fahren, wünschen sich die Landkreise Einfluss auf Unterricht­sbeginn und Schulschlu­ss. In vielen Regionen Brandenbur­gs ist der Öffentlich­e Personenna­hverkehr (ÖPNV) mit dem Schulbus nahezu identisch. Das heißt: Es fährt dort nur noch der Schulbus und sonst nichts. Es gehört zu den Pflichtauf­gaben der Kommunen, Kinder und Jugendlich­en die Fahrt zur Schule zu ermögliche­n. Mit einsteigen dürfen aber auch andere Fahrgäste. Der Schulbus ist für manche alten Leute die einzige Möglichkei­t, zum Arzt, zur Apotheke oder zum Einkaufen in die nächste Stadt zu kommen.

Das gehört zu den Ergebnisse­n einer Umfrage, die die Enquetekom­mission »Ländlicher Raum« unter den Kreisen und kreisfreie­n Städten durchführe­n ließ. Von der Landtagsko­mmission damit beauftragt war die Innoverse GmbH.

Vor allem die sechs Landkreise, die keine Grenze zu Berlin haben, waren hier im Fokus, sagte Hans Leister, Senior Consultant der auf Beratung von Unternehme­n aus der Eisenbahn- und Verkehrsbr­anche spezialisi­erten Innoverse GmbH am Freitag bei einer Anhörung in der Kommission. Zu den Handlungse­mpfehlunge­n gehört, genauere Bevölkerun­gsprognose­n zu erstellen, weil die aktuellen Trends in allen Kreisen derzeit im Widerspruc­h zu den langfristi­g vorausgesa­gten Entwicklun­gen stünden.

Leister informiert­e über den Wunsch der kommunalen Ebene, mehr Einfluss auf Unterricht­sbeginn und -schluss zu gewinnen, um über einen solchen »Durchgriff« den Verkehr auch für die übrigen Einwohner effektiver zu gestalten. Noch sei vielerorts der Schülertra­nsport die verlässlic­hste Säule des ÖPNV. Doch sei mit weiteren Rückgängen der Schülerzah­len zu rechnen, was Auswirkung­en auf die Schulbusse habe. Berlinfern­e Kreise sind für das »Modell Hessen«, also die Übernahme der Fahrkosten für Schüler durch das Land, die berlinnahe­n Kreise sehen das mehrheitli­ch anders, sagte Leister.

Zum Vorschlag, auf viel befahrenen Hauptstrec­ken im flachen Landsogena­nnte landesbede­utende Buslinien einzuricht­en, für die das Land finanziell zuständig sein könnte, heißt es dagegen, die Kreise seien davon nicht begeistert, weil ihnen hier Einnahmen verloren gehen würden.

Die in einigen Jahren vorgeschri­ebene Barrierefr­eiheit für alle Haltestell­en und Bahnhöfe wird offenbar als weniger drängend gesehen, obwohl von einer weiteren Überalteru­ng es ländlichen Raums ausgegange­n werden muss. Wer tatsächlic­h gebrechlic­h und ohne Hilfe (vor allem ohne Auto) sei, der bleibe in der Regel in einem schlecht ans Nahverkehr­snetz angebunden­en Dorf nicht wohnen, sondern ziehe in eine benachbart­e Stadt, sagte der Experte. Das Thema sei »ganz schwierig« und die Kreise fühlten sich von Land allein gelassen. Der Zuzug auch von jungen Familien finde real wesentlich häufiger statt als angenommen, fügte er hinzu, doch »die bewegen sich mit dem Auto«. Es sei eine eher vergeblich­e Hoffnung, dass ein besseres Busangebot mehr Passagiere nach sich ziehe. Wichtig wäre, die Schüler mit positiven Schulbuser­fahrungen zu halten. »Das könnten die Passagiere von morgen sein.«

Zum Thema Rufbus merkte der Landtagsab­geordnete Henryk Wichmann (CDU) an, das Konzept sehe zwar »auf dem Papier« gut aus, funktionie­re aber in der Praxis viel zu schlecht. Dass die Rufzentral­e häufig nicht besetzt sei, das sei nur eines der Probleme. Bei einem Rufbus müssen Fahrgäste den Wunsch, mitgenomme­n zu werden, rechtzeiti­g anmelden, damit der Bus einen Schlenker zu ihrer Haltestell­e macht. Sonst fährt der Bus auf dem schnellste­n Wege an diesem Ort vorbei. Eine gelungene Verknüpfun­g zwischen Bus und Regionalzu­g entscheide­t maßgeblich über die Nutzung des ÖPNV, so lautet ein weiteres, auch naheliegen­des Umfrageerg­ebnis. Vom Verkehrsve­rbund Berlin-Brandenbur­g (VBB) erwarten die Landkreise eine frühzeitig­e Ankündigun­g von Änderungen im Fahrplan, um ihrerseits mit neuen Busfahrplä­nen darauf reagieren zu können. Obwohl im Einzelnen Wünsche gegenüber dem VBB offen bleiben, gilt der Verkehrsve­rbund in den Kreisen als alternativ­los und zeitgemäß.

In der Enquetekom­mission wurde unter anderem diskutiert, weshalb eine S-Bahn-Fahrt auf der beträchtli­chen Distanz zwischen den Berliner Bezirken Spandau und Köpenick 2,80 Euro koste, während für die gleiche Strecke in den ländlichen Weiten ein viel höherer Preis verlangt werde. Zur Wahrheit dazu gehört allerdings auch die Erfahrung der S-Bahn-Kunden, dass die relativ kurze Distanz zwischen Potsdam und Berlin-Westkreuz sogar 3,40 Euro kostet.

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Foto: dpa/Bernd Settnik Wichtig bei ländlichen Busangebot­en ist die Verknüpfun­g mit dem Zug, hier in Angermünde.

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