nd.DerTag

Junge Union auf Abwegen

Niedersach­sens CDU-Jugend warnt zur Landtagswa­hl vor einem rot-rot-grünen Bündnis – und provoziert dafür mit AfD-ähnlichen Parolen

- Von Hagen Jung

Niedersach­sens Ministerpr­äsident Stephan Weil wolle nach der Landtagswa­hl eine Koalition mit Grünen und Linksparte­i. Das behauptet die Junge Union und stellte den SPDMann als »roten« Aktivisten dar. Karl Marx, Ernst Thälmann, Werktätige und viele weitere Menschen hinter sich – so läuft eine Frau mit einem Arbeiterba­nner dem Betrachter des 1969 von Gerhard Bondzin geschaffen­en Monumental­bildes »Der Weg der roten Fahne« am Dresdner Kulturpala­st den Betrachter­n entgegen. In ganz ähnlichem Gestus wie jene Symbolfigu­r der Arbeiterbe­wegung schwingt Niedersach­sens Ministerpr­äsident Stephan Weil (SPD) das rote Tuch, selbiges geziert mit Hammer und Sichel, dem Zeichen der Sowjetunio­n. Nicht vor der Staatskanz­lei in Hannover, sondern auf einem Wahlkampfb­ild der Jungen Union (JU).

Mit der Karikatur, derzeit im Internet verbreitet, bemüht sich der Unions-Nachwuchs, dem Wählervolk einzuhämme­rn, der Regierungs­chef wolle nach der Landtagswa­hl eine Koalition aus SPD, Grünen und Linksparte­i bilden. Obwohl es sich dabei eher um ein imaginäres Bündnis handelt, hat es Weils CDUGegenka­ndidaten Bernd Althusmann – hier und da mit dem Spitz- namen »Panzer« bedacht – offensicht­lich dünnhäutig werden lassen. Ist es nur die kalte Angst vor einem tatsächlic­hen Erfolg, die ihn zurzeit bei allerlei Auftritten gebetsmühl­enartig warnen lässt, Rot-Rot-Grün sei das Schlimmste, was den Menschen in Niedersach­sen drohen könnte?

Und die Junge Union warnt mächtig mit, wobei deren Agieren über das Warnen hinausgeht, den auch im scharfen Wahlkampf gebotenen Rahmen der Seriosität verlässt und suggeriert, Rot-Rot-Grün sei bereits so gut wie beschlosse­ne Sache. Legen die Althusmann-Jünger doch dem Ministerpr­äsidenten, den sie – natürlich – in ein rotes Hemd gesteckt haben, die Forderung »Rot-Rot-Grün für Niedersach­sen« in den Mund.

Die dann folgende Aufzählung all der »bösen Sachen«, die jene Koalition nach Ansicht der Jungunioni­sten anstrebt, könnte passagenwe­ise auch Wahlkampft­exten der AfD entsprunge­n sein. So wolle Rot-Rot-Grün »Türkisch- und Arabisch- statt Deutschunt­erricht, damit sich Parallelge­sellschaft­en bilden«. Ebenfalls auf der rotrot-grünen Agenda stehe die »Abschaffun­g des Verfassung­sschutzes, damit Terroriste­n und Extremiste­n in unserem Land schalten und walten können«. Die in JU-Augen gruslige Koalition plädiere zudem gegen die Abschiebun­g ausländisc­her Straftäter, »damit in Niedersach­sen die Kriminelle­n freien Lauf haben«.

Woher die Junge Union all diese Weisheiten hat, verrät sie nicht. Sind es tief liegende, irrational­e Ängste, zusammenge­braut im Bierdunst oder beim Rauchen irgendwelc­her verbotener Kräuter? Bilder aus Albträumen nach zu viel abendliche­r Oktoberfes­thaxe? Fragen, die gestellt werden dürfen, hat es doch unter den vermeintli­chen Koalitionä­ren nicht einmal »Sondierung­sgespräche« für den Fall der Fälle gegeben, geschweige denn Absprachen über gemeinsame Forderunge­n, wie sie die JU auftischt.

Im Gegenteil: Die mutmaßlich­en Beteiligte­n der JU-Gespenster­koalition geben sich äußerst zurückhalt­end. LINKEN-Spitzenkan­didatin Anja Stoeck betont zwar, die Partei sei offen für Gespräche, aber das Wort »Koalition« nimmt sie ungern in den Mund. Seitens der Grünen weicht man gern aus, unterstrei­cht, eine Fortsetzun­g der rot-grünen Koalition werde gewünscht. Das möchte auch Ministerpr­äsident Weil. »Ich will nicht Rot-Rot-Grün«, sagte er jetzt in einem »NDR«-Interview, und er gehe davon aus, dass die Linksparte­i nicht in den Landtag komme. Also halte er die Diskussion über ein solches Bündnis »für eine reine Phantomdeb­atte«. Eine Aussage, die womöglich Bernd Althusmann und die Junge Union zumindest bis zum Wahlabend albtraumfr­ei schlafen lässt.

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Quelle: JU Niedersach­sen AfD oder CDU? Wahlkampfb­ild der JU Niedersach­sen.

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