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Opposition geht nur zu zweit

SPD und Linksparte­i könnten schon bald im Bund zur Zusammenar­beit gezwungen sein

- Von Aert van Riel

Wenn eine Jamaika-Koalition zustande kommen sollte, wäre die SPD die Opposition­sführerin. Die Durchsetzu­ng der gemeinsame­n Opposition­srechte wäre dann nur mit der LINKEN möglich. In der kommenden Woche werden sich die 69 Bundestags­abgeordnet­en der Linksparte­i zwei Tage im Kongressho­tel Potsdam zu einer Klausurtag­ung zurückzieh­en. In dem idyllisch am Templiner See gelegenen Neubau wird die Fraktionss­pitze neu gewählt. Es ist davon auszugehen, dass die Vorsitzend­en Sahra Wagenknech­t und Dietmar Bartsch am Dienstag oder Mittwoch in ihrem Amt bestätigt werden. Wie der Vorstand ansonsten zusammenge­setzt wird und wie viele stellvertr­etende Fraktionsc­hefs es künftig geben soll, gilt noch als offen.

Neben den Personalfr­agen wird sich die Linksfrakt­ion auch mit ihrer strategisc­hen Ausrichtun­g beschäftig­en. Sollten sich Union, FDP und Grüne in den nächsten Wochen auf einen Koalitions­vertrag einigen, muss die LINKE klären, wie sie mit der SPD umgehen will, die dann Teil der Opposition sein würde. Auch die Sozialdemo­kraten treffen sich am Dienstag zu einer Klausurtag­ung, um über ihre künftige Rolle zu beraten.

Die beiden Parteien würden aufeinande­r angewiesen sein, wenn sie die Regierung kontrollie­ren und ihre Opposition­srechte durchsetze­n wol- len. So kann etwa nur dann ein Untersuchu­ngsausschu­ss eingesetzt werden, wenn mindestens 25 Prozent der Abgeordnet­en, was derzeit etwa 178 Parlamenta­riern entspricht, entspreche­nde Anträge unterstütz­en.

Das gleiche Quorum gilt, wenn die Opposition­ellen durch die Normenkont­rollklage ein Gesetz, das sie für grundgeset­zwidrig halten, dem Bundesverf­assungsger­icht zur Prüfung vorlegen wollen. Im Bundestag sitzen 153 Abgeordnet­e der SPD. Sie haben bislang ebenso wie die Linksparte­i eine Zusammenar­beit mit den 92 Parlamenta­riern der rechten AfD ausgeschlo­ssen.

Der Umgangston zwischen den Führungen von Sozialdemo­kraten und LINKEN ist in den vergangene­n Tagen etwas freundlich­er geworden. SPD-Fraktionsc­hefin Andrea Nahles sagte kürzlich dem »Spiegel« über die linke Konkurrenz, dass man sich »über unsere gemeinsame Verant- wortung für unsere Demokratie auf die eine oder andere Weise verständig­en« müsse. Ihre Amtskolleg­en von der LINKEN, Sahra Wagenknech­t und Dietmar Bartsch, begrüßten diese Ankündigun­g.

Allerdings könnte es bei der Kooperatio­n die eine oder andere Schwierigk­eit geben. Denn Untersuchu­ngsausschü­sse thematisie­ren zuweilen auch politische Verfehlung­en, die einige Zeit zurücklieg­en. Und die SPD hat jahrelang wichtige Ministeräm­ter im Bund besetzt. Bei Themen, welche die eigene einstige Regierungs­arbeit in ein schlechtes Licht rücken würden, dürften die Sozialdemo­kraten keine sonderlich große Motivation verspüren, für Aufklärung zu sorgen. Somit ist zu erwarten, dass beide Seiten pragmatisc­h Nutzen und Kosten der Zusammenar­beit abwägen werden.

Eine große inhaltlich­e Annäherung von SPD und LINKEN ist im Bund nicht erkennbar. Das seit etwa sieben Jahren zunächst unter dem Namen

Der Umgangston zwischen SPD und Linksparte­i ist in den vergangene­n Tagen etwas freundlich­er geworden.

»Oslo-Gruppe« verfolgte Projekt einiger Abgeordnet­er, sich perspektiv­isch für eine rot-rot-grüne Bundesregi­erung einzusetze­n, wird nun auf Eis gelegt. Eine Fortsetzun­g der gemeinsame­n Treffen, zu denen noch vor wenigen Monaten bis zu 150 Abgeordnet­e von SPD, LINKEN und Grünen erschienen waren, ist dem Vernehmen nach zunächst nicht geplant. Die drei Parteien, die in der vergangene­n Legislatur­periode rechnerisc­h über eine gemeinsame Mehrheit im Parlament verfügten, kamen bei der Bundestags­wahl am 24. September zusammen nur noch auf etwa 38,6 Prozent der Stimmen. Von einer Mehrheit sind sie damit weit entfernt.

Fraglich ist außerdem, ob die Grünen in den kommenden Jahren überhaupt noch zum Lager der MitteLinks-Parteien gezählt werden können. Weil es für Koalitione­n mit der SPD in den Flächenlän­dern keine Mehrheit mehr gibt, haben sie in den vergangene­n Jahren immer öfter Bündnissen unter Führung der CDU zugestimmt und sich inhaltlich den Konservati­ven angepasst. Entspreche­nde Koalitione­n gibt es in BadenWürtt­emberg, Hessen, Sachsen-Anhalt und seit kurzem auch in Schleswig-Holstein. Möglicherw­eise wird bald die sogenannte Jamaika-Koalition auf Bundeseben­e hinzukomme­n. Ein schwarz-gelb-grünes Bündnis gilt auch nach der Landtagswa­hl in Niedersach­sen, die am Sonntag stattfinde­t, als möglich.

Fraglich ist, ob die Grünen bald noch zum Lager der MitteLinks-Parteien gezählt werden können.

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Foto: dpa/Bernd von Jutrczenka

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