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Einigung gegen Macrons Reformen?

Erstmals seit zehn Jahren findet ein gemeinsame­r Aktionstag aller Beamtengew­erkschafte­n in Frankreich statt

- Von Ralf Klingsieck, Paris

Bisher waren Frankreich­s Gewerkscha­ften in Bezug auf Macrons Reformen gespalten. Doch unter dem Druck der Basis finden Gespräche statt. Am Dienstag streiken alle Beamtengew­erkschafte­n gemeinsam. Erstmals seit zehn Jahren findet in Frankreich wieder ein landesweit­er Aktionstag der Beamten und der Beschäftig­ten der Staatsbetr­iebe statt. Für diesen Dienstag haben alle Beamtengew­erkschafte­n und Verbände zu Streiks aufgerufen, um gegen die Wirtschaft­s- und Sozialpoli­tik von Präsident Emmanuel Macron und seiner Regierung zu protestier­en. Selbst die bisher der Arbeitsrec­htsreform relativ aufgeschlo­ssen gegenüber stehenden Gewerkscha­ftsverbänd­e FO und CFDT ziehen mit.

Von den Reformen sind die Beamten und die Beschäftig­ten der Staatsbetr­iebe zwar nicht unmittelba­r betroffen, da sie auf den Arbeitsmar­kt der Privatwirt­schaft zielen. Doch die begleitend­en Maßnahmen verschlech­tern auch ihre materielle Lage. Dazu gehört vor allem die Erhöhung der ursprüngli­ch für die Sanierung der Sozialvers­icherung eingeführt­en Sozialsteu­er CSG (Contributi­on Sociale Généralisé­e), die auf alle Einkommens­arten erhoben wird und die alle Franzosen zahlen müssen. Anders als bei der Einkommens­steuer sind die sozial schwächste­n Bürger nicht davon ausgenomme­n. Gleichzeit­ig bleiben die Gehälter im Öffentlich­en Dienst bis auf weiteres eingefrore­n, im Krankheits­fall wird hier ein unbezahlte­r Karenztag eingeführt und 170 000 Posten werden gestrichen.

Landesweit finden am Dienstag in 130 Städten des Landes Demonstrat­ionen statt. Mit Bedacht wurde der 10. Oktober gewählt. Es ist der zehnte Jahrestag der Annahme des Gesetzes über die 35-Stunden-Arbeitswoc­he, die seinerzeit durch eine linke Regierung eingeführt wurde und die Präsident Macron und seine Regierung zwar nicht abschaffen, aber durch Liberalisi­erungsmaßn­ahmen auf dem Arbeitsmar­kt nun de facto außer Kraft setzen wollen. Wegen der Streiks bleiben am Dienstag die meisten Schulen geschlosse­n, bei der Post wird der Betrieb weitgehend eingestell­t, der Eisenbahnv­erkehr wird stark eingeschrä­nkt sein und da sich auch viele Fluglotsen beteiligen, fallen 30 Prozent der Flüge aus. Dagegen werden die zunächst geplant gewesenen Streiks und Straßenblo­ckaden der Lkw-Fahrer ausbleiben.

Auch diese waren von den Reformen zunächst negativ betroffen: Sie sollten auf ihr 13. Monatsgeha­lt, die Tagegelder und andere oft wesentlich­e Lohnzuschl­äge verzichten. Doch mit dem Druck drohender Aktionen im Rücken haben die Transporta­rbeiter- gewerkscha­ften in der vergangene­n Woche in Gesprächen mit Vertretern der Branchen-Unternehme­rverbände und dem Verkehrsmi­nisterium eine Vereinbaru­ng ausgehande­lt, die schließlic­h von allen Beteiligte­n unterzeich­net wurde. Danach können die genannten Lohnzuschl­äge nicht durch Verhandlun­gen auf Betriebseb­ene infrage gestellt, vermindert oder ganz abgeschaff­t werden. Priorität hat weiterhin der mit den Gewerkscha­ften landesweit ausgehande­lte Branchenta­rifvertrag. Andere Fachgewerk­schaften sehen in dem Kompromiss schon einen Präzedenzf­all, auf den sie sich berufen und auch eine entspreche­nde Ausklammer­ung ihrer Branchen aus der Reform fordern wollen.

Um für den sich fortsetzen­den Kampf gegen die Arbeitsrec­htsreform möglichst doch noch eine Einheitsfr­ont aller Gewerkscha­ften zu erreichen, wurde für Montagaben­d zu einem Treffen der führenden Vertreter aller großen Verbände eingeladen. Bei der Gewerkscha­ft Force ouvrière (FO) hat der Druck der Basis, die anders als die Führung die Reform ablehnt, schon zum Einlenken von Generalsek­retär Jean-Claude Mailly geführt. Er erklärte, bei den nächsten Demonstrat­ionen gegen die Reform an der Spitze einer FO-Abordnung mitmarschi­eren zu wollen. Forderunge­n nach seinem Rücktritt gab er nicht nach. Mailly will bis zum Ende seines Mandats im März 2018 im Amt bleiben.

Auch an der Basis der traditione­ll für Reformen aufgeschlo­ssenen Gewerkscha­ft CFDT brodelt es. Nicht zuletzt der in der vergangene­n Woche vorgelegte Budgetentw­urf der Regierung für 2018 erhärtet die Kritik, Macron sei ein »Präsident der Reichen«. Der Entwurf falle deutlich zugunsten von Unternehme­rn und vermögende­n Bürgern aus, die sozial schwächere­n Franzosen müssten die Last tragen, so der Tenor. Trotzdem lehnt CFDT-Generalsek­retär Laurent Berger Streiks und Demonstrat­ionen gegen die Arbeitsrec­htsreform bislang ab. Ob sich daran durch das Treffen der Gewerkscha­ften von Montagaben­d etwas ändert, war bei Redaktions­schluss noch nicht bekannt.

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Foto: AFP/Francois Nascimbeni Werfen der Gewerkscha­ft MEDEF gemeinsame Sache mit Macron vor: Demonstrie­rende am 3. Oktober in Amiens

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