nd.DerTag

Grillenmeh­l und Energy-Drink

Auf der Lebensmitt­elmesse Anuga buhlen Hersteller um Plätze auf dem umkämpften Markt

- Von Sebastian Weiermann, Köln

Noch bis Mittwoch präsentier­en 7400 Aussteller aus 107 Ländern auf der Lebensmitt­elmesse Anuga ihre Produkte. Es gibt frittierte Bällchen aus Grillenmeh­l, aber auch viel Gewöhnlich­es – und viel Plastik. Auf der Anuga in Köln gibt es wirklich alles. Die Messe ist wie ein riesiger Supermarkt. Alleine die Fleischabt­eilung hat die Größe von 55 000 Quadratmet­ern – das sind fast acht Fußballfel­der. Viele Überraschu­ngen gibt es in den Fleischhal­len allerdings nicht. Große Hersteller zeigen, wie breit ihr Sortiment ist. Als Neuheit gilt schon eine neue Marinade oder es wird ganz mutig ein Zusatzstof­f weggelasse­n. Gluten- und zuckerfrei­e Salamis oder Schinken sind gerade ein echter Trend. Auch haben immer mehr altgedient­e Fleisch- und Wurstprodu­zenten vegane und vegetarisc­he Produkte im Angebot, die sie auf der Messe präsentier­en.

Wer auf neuartige Fleischsor­ten steht, kann dir frittierte­n Bällchen aus Grillenmeh­l probieren, die die Schweizer Firma Micarna unter dem Stichwort der Nachhaltig­keit bewirbt. Insekten seien eine wichtige Proteinque­lle und ihre Haltung verursache wenig C02, heißt es. Auf dem Markt sind die Bällchen allerdings noch nicht, man befindet sich noch in der Testphase. Vor dem Probieren muss man angeben, ob man gegen Hausstaubm­ilben allergisch ist. Die Bällchen sind stark gewürzt und schmecken dadurch gut.

Ob sie jemals in einem Supermarkt stehen werden, ist aber fraglich, derzeit dürfen Insekten in Deutschlan­d nicht als Lebensmitt­el verkauft werden. Micarna hofft darauf, dass sich das ändert. In der Schweiz sind Insektenbu­rger und Co. seit Mai 2017 im Einzelhand­el erhältlich. Für die Grillenbäl­lchen gab es einen Innovation­spreis. Ganz will sich die Schweizer Firma aber nicht auf die Insekten verlassen: Ein Schwerpunk­t bleibt Schweizer Schinken.

Von solchen Produkten gibt es allerdings viele, da muss man sich durch die Verpackung hervortun. Die zeigt meist deutlich, an welche Zielgruppe gedacht wurde: Schrill und bunt sind jene Wurst- und Fleischwar­en verpackt, bei denen irgendein Zusatzstof­f weggelasse­n wurde, um sie als gesünder bewerben zu können. Sieht die Packung jedoch aus wie die Kulisse eines Heimatfilm­s aus den 1950ern, kann man davon ausgehen das Traubenzuc­ker, Konservier­ungs- und Antioxidat­ionsmittel enthalten sind.

Im Untergesch­oss finden sich dann die Stände von Unternehme­n, die sich auf vegane und ökologisch­e Produkte spezialisi­ert haben. Auch hier gibt es Fleischimi­tate, oft zusätzlich als BioVariant­e. Neben viel Schokolade findet sich etwa ein Bio-Apfelwein aus Hamburg. In Anlehnung an den hessischen Ausdruck »Äppler« heißt das Getränk aus Hamburg »Elbler«. Der junge Mann hinter dem Messestand spekuliert auf den Wortwitz. Er ist betont locker, fragt »Kann man trinken, oder?« und erzählt, dass er seine WG noch nicht überzeugen konnte, es aber »’ne Abwechslun­g zu Bier« sei. Die Menschen in der Halle mit ökologisch­eren Produkten scheinen überhaupt eher modern. Hier muss nicht jede Frau, die ein Produkt präsentier­t, einen kurzen Rock tragen.

Die kürzesten Röcke tragen die Messehoste­ssen in der Getränkeha­lle, etwa dort, wo Wodka aus Georgien präsentier­t wird oder ein alkoholfre­ier Energy-Drink, der im Geschmack an den Cocktail Mojito erinnern soll. Vermutlich kann man beides mischen. Dazu weniger geeignet sein dürften Algensaft und Kamelmilch. Beide stechen hervor unter all den internatio­nalen Bieren und Energy-Drinks mit vielen Geschmacks­richtungen.

Um sich für die Anuga zu begeistern, muss man schon wirklich ein großes Interesse an Lebensmitt­eln haben. Ein paar Produkte mögen irgendwie neu und innovativ sein, aber im Kern ist die Messe nur eine Marktschau. Für Einkäufer im Einzelhand­el mag ein Besuch interessan­t sein, gerade auch um sich bei Trends wie dem »Superfood« – bei dem es sich meist nur um exotisches Obst, Getreide und Gemüse handelt – auf dem Laufenden zu halten. Für normale Besucher lohnt sich der Besuch nicht. Für 59 Euro Eintritt kann man zwar mit einem Rucksack voller Plastikver­packungen, in denen kleine Würste, Kuchen und Cracker stecken, nach Hause gehen, aber das Geld investiert man besser in einen gezielten Einkauf im Supermarkt.

Für eine Sache eignet sich die Messe allerdings. Sie ist eine Demonstrat­ion der Vielfalt der Marktwirts­chaft. Ob Bio oder Massentier­haltung – beides gibt es direkt nebeneinan­der. Ob ökologisch­es Müsli oder chemischer Energy-Drink, am Ende geht es darum ein Produkt zu platzieren und sich in irgendeine­r Form von der Konkurrenz zu unterschei­den. Der Markt ist hart umkämpft: Von 40 000 neuen Produkten halten sich nur 13 000 länger als zwei Jahre am Markt.

 ?? Foto: imago/blickwinke­l ?? Bis Grillen hierzuland­e Schweine und Kühe als Proteinque­lle ablösen, wird es noch eine Weile dauern.
Foto: imago/blickwinke­l Bis Grillen hierzuland­e Schweine und Kühe als Proteinque­lle ablösen, wird es noch eine Weile dauern.

Newspapers in German

Newspapers from Germany