nd.DerTag

Nichts aus der Hungerkris­e gelernt

Martin Ling über das 10. Jahrbuch zum Recht auf Nahrung

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Das Problem ist bekannt, gehandelt wird nicht. Vor zehn Jahren flimmerten die Hungerrevo­lten von Haiti bis Ägypten über den Bildschirm. Danach katapultie­rte die Finanzkris­e die Zahl der Hungernden 2009 zeitweise gar über die Milliarden­schwelle. »Weil Banker sich verspekuli­ert haben«, wie es Dirk Messner vom Deutschen Institut für Entwicklun­gspolitik schon vorab prophezeit hatte.

Zehn Jahre danach haben Brot für die Welt und die Menschenre­chtsorgani­sation FIAN das 10. Jahrbuch zum Recht auf Nahrung vorgelegt. Mit einer ernüchtern­den Bilanz: Von den wichtigste­n Problemen wie der erzwungene­n Öffnung der Agrarmärkt­e in Entwicklun­gsländern, der Spekulatio­n mit Nahrungsmi­tteln, dem zu starken Fokus auf industriel­le Ernährungs­systeme, dem großflächi­gen Anbau von Biokraftst­offen sowie den Auswirkung­en des Klimawande­ls sei keines in den vergangene­n zehn Jahren gelöst worden. Der Grund: Mangelndes Interesse vieler Regierunge­n, sich um Hungernde zu kümmern.

Es ist ein Armutszeug­nis internatio­naler Politik: Die Daten der Welternähr­ungsorgani­sation FAO belegen, dass noch nie so viele Nahrungsmi­ttel produziert wurden wie heute. Und trotzdem stieg die Zahl der Hungernden im Jahr 2016 erstmals seit dem Spitzenwer­t 2009 wieder an, auf nun 815 Millionen. Jeder neunte Mensch leidet chronisch Hunger. Dabei hat der Weltagrarr­at – ein Expertengr­emium – schon 2008 die Kernelemen­te für eine globale Agrarrefor­m benannt: lokale, ökologisch­e Lösungen statt Monokultur­en und Gentech. Die Agrarlobby hat kein Interesse an einer Reform – weder im Norden noch im Süden. Solange sie sich weiter durchsetzt, geht der Hunger in der Welt weiter.

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