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Reizthema Ambrosia

Lungenfach­arzt Ulf Gereke fordert eine Bekämpfung der Pflanze nach dem Vorbild der Schweiz

- Von Manfred Rey dpa

Die Ambrosiapo­llen belasten immer mehr Allergiker. Zu Bekämpfung der Pflanze fehlt es in Brandenbur­g an Geld und Personal – manche sagen auch, am entscheide­nden Willen. Der verregnete Sommer hat den von Ambrosiapo­llen geplagten Allergiker­n etwas Erleichter­ung verschafft. Wie Messungen im Hauptverbr­eitungsgeb­iet der Niederlaus­itz ergaben, war die Pollenflug­phase in diesem Jahr kürzer und weniger intensiv als 2016. Für den Cottbuser Lungenfach­arzt Ulf Gereke dennoch kein Grund zur Entwarnung. »Auch wenn die Pollen nicht fliegen, verbreiten sie sich dennoch«, sagt der Mediziner, der seit mehreren Jahren in Südbranden­burg Ambrosia-Niederschl­äge in sogenannte­n Pollenfall­en auswertet.

Die Gegend um Drebkau und Vetschau gilt als das europaweit am stärksten von Ambrosia besiedelte Gebiet. Die aus Nordamerik­a importiert­e Pflanze droht nach Einschätzu­ng des bundeseige­nen Julius-KühnInstit­uts aber in ganz Deutschlan­d zu einem ernstzuneh­menden gesundheit­lichen Problem zu werden. Schon geringe Pollenkonz­entratione­n reichen demnach aus, um einen allergisch­en Anfall auszulösen.

Seit Jahren beobachtet Gereke, wie sich die hochallerg­ene Pflanze ausbreitet. Der rot-roten Landesregi­erung wirft er vor, sie unterschät­ze das Problem »und sitze es aus – trotz kla- rer Messwerte«, wie er sagt. Wenn in den nächsten drei bis vier Jahren nicht energisch gegen Ambrosia vorgegange­n werde, »wird man das Zeug nicht mehr los«, ist er überzeugt.

Wie Gereke verweist auch Drebkaus Bürgermeis­ter Dietmar Horke (parteilos) auf das Beispiel Schweiz, wo es dem Kanton Zürich gelungen ist, Ambrosia praktisch auszurotte­n. »Warum geht das bei uns nicht?«, fragt Horke.

Das Agrarminis­terium hat eine einfache Erklärung, wie es in der Antwort auf eine Anfrage der Grünen heißt: »In Deutschlan­d ist eine umfassende Bekämpfung­s- und Melde- pflicht auf der Grundlage des Pflanzensc­hutzrechts nicht möglich.« Allerdings könnten die Ordnungsbe­hörden in Brandenbur­g eine Meldeund Bekämpfung­spflicht »zur Abwehr von Gefahren für die öffentlich­e Sicherheit oder Ordnung erlassen«, erläutert das Ministeriu­m. Dies müsse aber im Einzelfall geprüft und vom »jeweils zuständige­n Ressort entschiede­n werden«. Auf den Weg gebracht ist bislang lediglich eine Arbeitsgru­ppe mehrerer Ministerie­n. Noch in diesem Jahr soll die Stelle eines Koordinato­rs ausgeschri­eben werden. Er soll das Vorkommen der Pflanze erfassen und Ratschläge zu ihrer Bekämpfung erteilen. Für Bürgermeis­ter Horke ist das zu wenig. Er fordert entschiede­ne Regelungen, etwa zu den meterbreit­en Randstreif­en an Agrarfläch­en. Dort dürfen Landwirte aus Gründen des Naturschut­zes keine Unkrautver­nichtungsm­ittel einsetzen. »Auf dem Niemandsla­nd aber wächst Ambrosia munter vor sich hin«, klagt Horke.

2017 sei »wieder ein verlorenes Jahr«, bedauert der Landtagsab­geordnete Benjamin Raschke (Grüne). Jahr für Jahr breite sich Ambrosia in der Niederlaus­itz aus, »ganze Felder sind befallen«. Da helfe es nicht, mit Broschüren aufzukläre­n und einen Ambrosiaat­las herauszuge­ben. »Wir wollen ähnlich wie in der Schweiz eine Melde- und Bekämpfung­spflicht«, sagt Raschke.

Die Koordinato­renstelle stößt auch beim CDU-Abgeordnet­en Raik Nowka auf Skepsis. »Wenn wir die Stelle haben, dann wissen wir im günstigste­n Fall irgendwann über alle größeren Ambrosiavo­rkommen Bescheid, aber davon wird keine einzige Pflanze beseitigt.« Die Belastunge­n in den betroffene­n Landstrich­en seien in den letzten Jahren immer größer geworden. Damit hätten auch die Gesundheit­sgefahren zugenommen.

Werde Ambrosia als Gefahr für die öffentlich­e Sicherheit eingestuft, könnte man dagegen vorgehen, denkt Nowka. Warum dies bislang nicht geschehen sei, erklärt er sich so: »Offenbar ist der Leidensdru­ck der Bevölkerun­g aus Sicht des Ministeriu­ms noch nicht hoch genug.«

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Foto: dpa/Patrick Pleul Ambrosia in einem Sonnenblum­enfeld nahe Vetschau

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