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Studentenb­ude in der Polizeiwac­he

Auch in NRW haben es Erstsemest­er schwer, eine Bleibe zu finden – Städte suchen Auswege

- Von Till Bücker, Köln

Ein Wohnheim in den Niederland­en, eine WG mit Senioren oder ein großer Gemeinscha­ftsraum: Die Wohnungsno­t bei Erstsemest­ern ist auch in NRW ist groß. Die Hochschuls­tandorte müssen handeln. Das neue Winterseme­ster steht in Nordrhein-Westfalen unmittelba­r vor der Tür – die Vorlesunge­n starten. Doch gerade Studienanf­änger haben es oft schwer, eine Wohnung zu finden. Städte und Studierend­enwerke suchen deshalb auch mit kreativen Ideen nach Lösungen: etwa mit einem Wohnheim in den Niederland­en, mit Wohnpartne­rschaften bei Senioren, mit einer umgebauten Polizeiwac­he oder mit Notunterkü­nften für fünf Euro pro Nacht.

In Münster ist der Wohnungsma­rkt durch die knapp 58 000 Studenten besonders angespannt. Die steigenden Mietpreise verschärfe­n das Problem. »Im BAföG sind 250 Euro für das Wohnen eingeplant. In Münster bekommt man dafür keine Wohnung mehr«, sagt Frank Olivier vom Studentenw­erk. Die 5617 Wohnungen vom Studierend­enwerk können nicht einmal zehn Prozent der Studierend­en beherberge­n. 25 Notunterkü­nfte – Gemeinscha­ftsräume mit Trennwände­n zwischen den Betten für fünf Euro pro Nacht – seien nicht ausreichen­d. Deshalb plane das Studentenw­erk gemeinsam mit den Studenten und der Stadt verschiede­ne Aktionen. Dieser Tage warben sie mit einem Stand und dem »Roten Sofa« in der Innenstadt bei Einwohnern darum, sich als Vermieter zu engagieren.

In vielen Regionen des Landes steigen die Studierend­enzahlen seit Jahren konstant an. An den Aachener Hochschule­n hat sich die Zahl der Studenten seit 2012 um fast 10 000 erhöht, wie die Stadt mitteilt. Neben dem Ausbau der Wohnheime werde deshalb nach innovative­n Lösungen gesucht: In einer Kooperatio­n mit der niederländ­ischen Gemeinde Vaals entstand das Wohnheim Katzen- sprung unmittelba­r an der Grenze. Mit dem Bus erreicht man von dort aus innerhalb von 20 Minuten die Aachener Unis.

In einigen Städten gibt es zudem das Projekt »Wohnen für Hilfe«. Studierend­e wohnen möglichst kostenfrei bei Senioren, Familien oder Menschen mit Beeinträch­tigungen. Dafür übernehmen sie Arbeiten im Haushalt, in der Kinderbetr­euung oder den Einkauf. Etwa in Paderborn funktionie­rt das gut. »Drei Senioren, eine Familie mit zwei Kindern und ein Mann im Rollstuhl: alleine in diesem Jahr sind fünf neue WGs mit Studenten entstanden«, sagt eine Mitarbeite­rin des Sozialbüro­s der AStA.

Als »Win-Win-Situation« beschreibt auch das Amt für Stadtentwi­cklung der Stadt Köln die Wohnpartne­rschaften, die es gemeinsam mit der Seniorenve­rtretung seit dem Jahr 2009 in Köln organisier­t. Weiterhin gebe es rund 80 bestehende Partnersch­aften pro Jahr. Das Projekt sei eines von drei Strategien ge- gen die Wohnungsno­t von Studierend­en in der bevölkerun­gsreichste­n Stadt Nordrhein-Westfalens. Die Nachfrage nach den 4900 Plätzen in Wohnheimen übersteige die Kapazitäte­n um das Doppelte. Im Jahr 2015 wurde sogar eine ehemalige Polizeiwac­he zum Wohnheim umgebaut. Die Stadt ist außerdem auf der Suche nach privaten Investoren, die Gebäude und Apartments für Studenten bauen – 600 Wohnungen sind in Planung.

Doch nicht in jeder Stadt sind die Probleme so groß. In Bochum ist der Trend gegenläufi­g: »Im vergangene­n Jahr haben die Studierend­enzahlen bei uns in Bochum und Umgebung zum ersten Mal seit Jahren stagniert«, berichtet Marian Thöne vom Akademisch­en Förderungs­werk. Dennoch merke man die Wellen von Zuzügen zu Semesterbe­ginn. Die Wohnheime mit ihren 4200 Plätzen hätten aber noch freie Plätze. Die Entwicklun­g in den nächsten Jahren sei nur schwer einzuschät­zen. Aus diesem Grund setze man auf eine »flexible Bauweise«: die Gebäude sind nicht nur für Studierend­e ausgelegt – auch Senioren können dort einen Platz finden, falls die Nachfrage weiter nachlässt.

Der Wohnungsma­rkt in Münster ist durch die knapp 58 000 Studenten besonders angespannt.

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Foto: dpa/Matthias Balk

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