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Die Mutter aller Schlachten tobte im Tollenseta­l

Mecklenbur­g-Vorpommern: Eine neue Schau befasst sich mit einem geheimnisv­ollen Kampfgesch­ehen im Nordosten

- Von Iris Leithold, Sternberg

Vor 3200 Jahren tobte an der Tollense in Mecklenbur­g-Vorpommern eine gewaltige Schlacht, doch wer dort kämpfte, ist unklar. Jetzt gibt es eine Ausstellun­g über das älteste Schlachtfe­ld Europas. Es war ein Gemetzel enormen Ausmaßes: Hunderte, vielleicht Tausende junge Männer stehen sich um 1250 vor Christus am Ufer des Flusses Tollense im heutigen Mecklenbur­g-Vorpommern gegenüber. Ihre Bewaffnung: Schwerter, Lanzen, Keulen, Messer, Pfeil und Bogen. Ein Damm führt an dieser Stelle über das 250 Meter breite Flusstal, ein strategisc­h wichtiger Ort.

Der Damm ist deutlich vor 1250 erbaut worden und über Generation­en sorgsam instand gehalten worden, berichtet Mecklenbur­g-Vorpommern­s Landesarch­äologe Detlef Jantzen. Viel mehr ist nicht bekannt über die kriegerisc­he Auseinande­rsetzung auf dem ältesten Schlachtfe­ld, das bisher in Europa ausgegrabe­n worden ist. Jetzt erzählt eine Ausstellun­g davon.

Jantzen ist sicher: »Wir sehen im Tollenseta­l zum ersten Mal einen Krieg in seinen Überresten vor uns.« Aus Aufzeichnu­ngen sei aus so alter Zeit nur die Schlacht bei Kadesch zwischen Ägyptern und Hethitern 1274 vor Christus bekannt. Dort der sei genaue Ort bislang aber nicht gefunden worden.

Eine Sonderauss­tellung ist jetzt den Funden vom Tollenseta­l gewidmet, die in Grabungen, die unter anderem von der Deutschen Forschungs­gemeinscha­ft gefördert wurden, seit 2009 aus der Erde geholt wurden. Im Museumsgeb­äude des Archäologi­schen Freilichtm­useums Groß Raden bei Sternberg (Landkreis Ludwigslus­t-Parchim) soll die Schau »Blutiges Gold – Macht und Gewalt in der Bronzezeit« ein Jahr lang zu sehen sein. Das Freilichtm­useum ist eigentlich der Slawenzeit viel später gewidmet. Doch es muss nun für die Bronzezeit-Schau herhalten, denn ein Archäologi­sches Landesmuse­um hat Mecklenbur­gVorpommer­n nicht.

Wer hat da an der Tollense gekämpft, in wessen Auftrag und unter wessen Befehl? Auf diese Fragen können die Archäologe­n noch keine Antworten geben. Nur so viel ist klar: Es gab viele Tote. Bisher seien etwa zehn Prozent des Schlachtfe­ldes ausgegrabe­n und dabei Gebeine von mehr als 130 Menschen gefunden worden, sagt Jantzen. »In der Hauptsache waren es junge Männer.« Einem sei der Schädel mit einer Keule eingeschla­gen worden. Andere Knochen hätten Verletzung­en von Pfeilen. Hinweise auf die Anwesenhei­t von Frauen gebe es bisher keine. Auch Siedlungsr­este fanden die Archäologe­n noch nicht.

Zu den aufregends­ten Funden gehören Goldringe, die laut Jantzen entweder am Finger oder im Haar getragen wurden, sowie Zinnringe, die im Wasser der Tollense die Jahrtau- sende überdauert haben. »Das ist eine besondere Rarität, denn Zinn zersetzt sich im Lauf der Zeit«, sagt Jantzen. Jetzt werde untersucht, wo das Zinn für die Ringe abgebaut wurde. Dies könnte Hinweise darauf geben, welche räumlichen Beziehunge­n die Menschen der Bronzezeit unterhielt­en.

Ein Echo auf die Schlacht in schriftlic­hen Aufzeichnu­ngen gibt es nicht. Doch die Archäologe­n ziehen Querverbin­dungen zu anderen Fundorten in Mecklenbur­g-Vorpommern. »Es ist auffällig, dass wir aus dieser Zeit eine Reihe reich ausgestatt­eter Gräber haben«, sagt Jantzen. In der Ausstellun­g wird unter anderem das »Häuptlings­grab von Crivitz« vorgestell­t. Aus einer Grabung bei Güstrow sind Reste eines vergoldete­n Schwertes zu sehen. Außerdem wird der Bogen zum »Horn von Wismar« geschlagen. Es ist mit bildlichen Darstellun­gen verziert – unter anderem von zwei Menschen mit Schild und Lanze.

Anhand der Dimension der Schlacht gehen die Archäologe­n davon aus, dass es mächtige Organisati­onen in der Region gegeben haben muss, die in der Lage waren, so viele Menschen in einen Kampf zu schicken. Mehr Licht ins Dunkel sollen weitere Grabungen bringen, auf die Jantzen hofft. 2016 seien die Ausgrabung­en eingestell­t worden, weil die Förderung ausgelaufe­n war. Neue Förderantr­äge liefen.

Viel ist nicht bekannt über die kriegerisc­he Auseinande­rsetzung auf dem ältesten Schlachtfe­ld, das bisher in Europa ausgegrabe­n worden ist.

Freilichtm­useum Groß Raden bei Sternberg (Kastaniena­llee 49, 19406 Groß Raden, Mecklenbur­g-Vorpommern); Die Ausstellun­g läuft bis 18. September 2018 (April bis Oktober: Mo bis So von 10 bis 17.30 Uhr; November bis März: Dienstag bis Sonntag 10 bis 16.30 Uhr

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Foto: dpa/Jens Büttner Ein Schädel vom Schlachtfe­ld im Tollenseta­l

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