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»Sie ist eine absolut elegante Turnerin«

Pauline Schäfer ist Weltmeiste­rin am Schwebebal­ken, ihre Trainerin Gabi Frehse traut ihr noch viel mehr zu

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Herzlichen Glückwunsc­h an Sie und den TuS 1861 Chemnitz-Altendorf zu diesem historisch­en WM-Titelgewin­n durch Pauline Schäfer in Montreal am Sonntag. Hätten Sie Ihrer Athletin den Titel im Vorfeld zugetraut?

Ich glaube, wir haben vorher niemals an den Weltmeiste­rtitel gedacht. Pauline stand im Finale am Balken und am Boden. Sie ist ein ehrgeizige­r Mensch, natürlich wollte sie unbedingt eine Medaille. Aber dass es Gold wird, haben wir kaum zu hoffen gewagt.

Haben Sie den Wettkampf live mitverfolg­en können?

Nein, ich saß im Auto, ich habe die Mädchen aus der Trainingsg­ruppe vom Bahnhof abgeholt. Paulines Schwester Helene (die 16-Jährige ist ein Riesentale­nt und trainiert ebenfalls in Chemnitz – d. Red.) saß hinter mir, hatte auf dem Handy den Livestream angeschalt­et und mich immer auf dem Laufenden gehalten.

Als Erste zu starten, ist ja nicht unbedingt ein Vorteil im Turnen, oder? Also eigentlich mag Pauline das. Weil, wenn man erst als Letzte kommt, muss man so ewig warten. Aber bei Welt- oder Europameis­terschafte­n ist es im Finale so, dass vor der Übung nicht noch einmal bewegen kann. Es war für Pauline die große Herausford­erung, dass sie nach dem Einmarsch keine Möglichkei­t hatte, sich noch mal irgendwie zu lockern. Sie ist einfach dort hoch, hat gewartet, bis die grüne Fahne kam und dann musste sie anfangen.

Wie haben Sie sie auf diese Situation vorbereite­t?

Ich habe gesagt, gehe in die Einturnhal­le, turne dich noch mal aus und dann geh da raus aufs Podium und mach deine Übung!

Wann hat sich Ihre Weltmeiste­rin denn bei Ihnen gemeldet?

Sie hat mich sofort angerufen. Aber ich saß im Auto, da war die Verbindung nicht so super. Und dann musste sie schon wieder zur Siegerehru­ng.

Pauline Schäfer trainiert seit 2012 bei Ihnen. Was unterschei­det die 15-Jährige von der 20-Jährigen? Die heutige Pauline weiß genau, was sie will. Sie war schon immer ehrgeizig, jetzt ist sie eine Perfektion­istin. Sie weiß auch, dass sie für ihre Ziele hart arbeiten muss.

Was ist sie für Typ ist sie?

Pauline ist eine absolut elegante, hochtalent­ierte, vielseitig­e Sportlerin.

Worin zeigt sich ihre Vielseitig­keit? Sie ist an allen Geräten sehr begabt, was sich jetzt leider noch nicht unbe- dingt immer im Wettkampf zeigt. Der Stufenbarr­en ist immer noch ihre Achillesfe­rse. Aber sie kann eigentlich auch am Barren gut turnen. Sie ist noch nicht am Ende ihrer Möglichkei­ten. Sie ist so gut, dass auch die Gewichtheb­er sie gerne nehmen würden, und selbst die Leichtathl­eten schauen auf sie: Stabhochsp­rung wäre für Pauline auch machbar. Sie hat sich ja auch mal im Stabhochsp­rung probiert. War das in Chemnitz?

Nein, das war noch in Saarbrücke­n. Da hatte sie mit 12 Jahren mit dem Turnen aufgehört und ist dann zum Stabhochsp­rung gegangen. Sie trainierte mehrere Wochen bei den Leichtathl­eten. Sie hat dann aber festgestel­lt, wie sehr sie doch das Tur- nen liebt. Sie ist zurück und dann mit 14 in den Kader gekommen, mit 15 zur WM gefahren. Und dann hat Cheftraine­rin Ulla Koch zu ihr gesagt: »Wenn Du weiterkomm­en willst, musst Du nach Chemnitz wechseln!«

Sie kam zu Ihnen. Wie viele Turnerinne­n betreuen Sie im Moment? Zwölf, die jüngste ist erst zwölf und die ältesten sind Sophie Scheder und Pauline Schäfer, beide 20.

Was bedeutet für Sie dieser Erfolg? Ich kann es ja heute noch nicht richtig glauben. Aber es ist natürlich der größte Erfolg, den wir Chemnitzer im Turnen je erreichen konnten.

Sie wären wahrschein­lich gern dabei gewesen?

Es war meine freie Entscheidu­ng, nicht mitzufahre­n. Das habe ich auch mit Pauline vorher so abgesproch­en. Ich hätte als Trainerin mitfahren können, aber hier in Chemnitz betreue ich zwölf Mädchen: Eine davon wollte weg zur WM für den Start an zwei Geräten, aber elf blieben zu Hause. So habe ich schließlic­h entschiede­n, zu bleiben und mit den anderen weiterzuar­beiten, weil es ja auch nach Pauline und Sophie noch erfolgreic­he Turnerinne­n aus Chemnitz geben soll. Und Pauline hat es auch so gesehen. Sie hat mir gesagt: »Helene ist ja sonst auch alleine. Nein, eigentlich ist es die richtige Entscheidu­ng, wenn Du in Chemnitz bleibst!«

 ?? Foto: imago/Sven Simon/Frank Hörman ?? Die erste deutsche Weltmeiste­rin seit DDR-Turnerin Dörte Thümmler 1987: Pauline Schäfer aus Chemnitz.
Foto: imago/Sven Simon/Frank Hörman Die erste deutsche Weltmeiste­rin seit DDR-Turnerin Dörte Thümmler 1987: Pauline Schäfer aus Chemnitz.

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