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Diebe stoppen Weltreisen­de

Franzosen fahren von Hongkong in die Normandie

- Von Wolf H. Wagner, Florenz

Vor elf Monaten war Etienne Godard gemeinsam mit seiner Partnerin im chinesisch­en Hongkong aufgebroch­en. Das französisc­he Ärztepaar wollte ein Sabbatjahr nutzen, um per Fahrrad einen Teil der Welt kennenzule­rnen. 15 000 Kilometer wollten sie auf den zwei Rädern zurücklege­n.

Sie durchquert­en China, bereisten Indien und Indonesien, durchfuhre­n die Türkei. Auf dem Weg nach Europa ließen sie wenige Länder aus, für die sie kein Visum erhielten. Nach elf Monaten kamen sie in Italien an. Sie verbrachte­n einige Tage in Neapel. In Castel Volturno in der Provinz Caserta legte das Paar einen Stopp am Strand ein, um ein Bad im Meer zu nehmen. Nur fünf Minuten ließen sie dabei ihre Fahrräder ohne Aufsicht. Diese Zeit reichte einem Dieb, um das Rad Godards samt aller Ausrüstung zu stehlen.

Das Paar kehrte nach Neapel zurück, wo es zuvor eine Unterkunft gefunden hatte. Francesco Langella, Radsportli­ebhaber und Betreiber einer kleinen Herberge, versuchte zu helfen. Gemeinsam mit Etienne Godard veröffentl­ichte er einen Facebook-Aufruf, in dem der Dieb aufgeforde­rt wurde, das gestohlene Rad zurückzuge­ben. »Ich bitte die FacebookFr­eunde, mir bei der Wiederbesc­haffung meines Fahrrads sowie der vier Taschen, die an ihm montiert waren, zu helfen. Außer dem finanziell­en ist es für mich ein schwerer moralische­r Verlust. Ich hoffe, dass mein Gepäck – Kleidung, Campingaus­rüstung, Brillen und Sonnenbril­len, Fotokamera und iPhone – wiedergefu­nden werden können. Den Finder werde ich belohnen, allen die helfen, danke ich von Herzen.«

Die Reaktion war immens.1605 Mal wurde der Aufruf geteilt, viele riefen zur Hilfe auf. Doch auch Spott und Häme liest man in den Kommentare­n: »Wie kann man nur ein Rad unbewacht am Strand stehen lassen, und das bei Neapel, wo man doch weiß, dass die klauen!!« Oder: »Da treiben sich doch jede Menge Flüchtling­e rum, kein Wunder, dass das Rad weg ist.«

Viele Italiener, vor allem aus dem Norden, beschimpfe­n die Neapolitan­er als eine »Bande von Ganoven«. Facebook-Nutzer aus Kampanien hingegen wehren sich und erklären, dies könne auch in jeder anderen italienisc­hen Stadt geschehen. Ein weiterer Nutzer sah sich vom Aufruf angeregt, in französisc­her Sprache einen Aufruf zu erlassen, weil ihm Gleiches in Fréjus passiert war.

Der freundlich­e Gastwirt in Neapel stellte dem französisc­hen Arzt sein Fahrrad zur Verfügung und erwarb mit Godard zusammen in einem Kaufhaus eine Basisausrü­stung und Kleidung, mit der das Paar die Reise fortsetzen konnte. Die führte zunächst nach Rom, dann ins toskanisch­e Siena. Ende des Monats wollen Etienne Godard und seine Gefährtin die Heimat in der Normandie erreichen.

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