Kitty und das Mädchen Anne
»Niemand kann verstehen, dass ein Mädchen von dreizehn ganz allein auf der Welt steht«, klagt Anne Frank eingangs. Ihr Schmerz rührt auch daher, dass ihr immer die zwei Jahre ältere Margot als Vorbild vorgehalten wird, wie diese, sich an Edvard Munchs »Schrei« anlehnende Seite aus der englischen Originalausgabe des jetzt auf Deutsch erscheinenden Graphic Diary zeigt. Als Anne zu ihrer Freude am Geburtstag ein Tagebuch geschenkt bekommt, notiert sie sogleich in dieses, dem sie auch einen Kosenamen gibt: »Liebe Kitty! Ich werde, hoffe ich, dir alles anvertrauen können, wie ich es noch bei niemanden gekonnt habe, und ich hoffe, du wirst mir eine große Stütze sein.«
Wie oft ist das am 25. Juni 1947 in den Niederlanden erstmals veröffentlichte, mittlerweile zur Weltliteratur gezählte und zum UNESCO-Weltdokumentenerbe gehörende Tagebuch schon verlegt worden? Und in wie vielen Sprachen? Es ist gut so, denn jede neue Generation soll von dem Verbrechen erfahren, das an ihr und ihrer Familie und über sechs Millionen Menschen begangen wurde. Darum auch Dank an den Drehbuchautor Ari Folman und den Comiczeichner David Polonsky, dass sie die Geschichte eines jungen Mädchens, das nicht erwachsen werden durfte, weil deutsche Antisemiten es nicht wollten, einfühlsam und berührend neu erzählen. Vorab stellen sie die Familie Frank und die anderen Bewohner des Hinterhauses in der Amsterdamer Prinsengracht 263 sowie deren Helfer vor. Abschließend wird über das weitere Schicksal der im August 1944 von der SS Deportierten berichtet (S. Fischer, 160 S., geb., 20 €).