Die Weltzerstörer
Manlio Dinucci über die »Kunst« des Krieges
Wer kennt Sun Tzu? Gelegentlich auch Sūnzi geschrieben. Laotse und Konfuzius – ja, die sind vielen nicht nur namentlich bekannt. Dabei hat auch der um 544 v. u. Z. geborene und um 496 v. u. Z. gestorbene chinesische General, Militärstratege und Philosoph seine Spuren in der Menschheitsgeschichte hinterlassen und wirkt bis in unsere Gegenwart hinein. Sein Buch »Die Kunst des Krieges« gilt als ältestes kriegstheoretisches Werk und wird noch heute an Militärakademien gelehrt.
Das Handbuch von Sun Tzu betont, dass Kriege nicht nur auf dem Schlachtfeld ausgetragen, verloren oder eben gewonnen werden, sondern auch auf anderen Ebenen. Militär, Politiker und Diplomaten ziehen an einem Strang, kungeln miteinander hinter den Kulissen. Vor der Öffentlichkeit verborgen, entscheiden sie über Millionen Schicksale. Die Mächtigen, die ein bestimmtes Ziel anvisiert haben, bedienen sich der Spionage, geheimer Operationen, Intrigen und handfester Lügen, der Bestechung und des Betrugs sowie nicht zuletzt der Konterpropaganda, um im gegnerischen Lager Unsicherheit, Unfrieden, Zerwürfnis zu schüren.
In dem titelmäßig Anleihe bei Sun Tzu nehmendem Buch von Manlio Dinucci wird jedes Kapitel mit einem Zitat aus dem Opus magnum des alten, weisen Chinesen eröffnet. Der italienische Geograf und Publizist, der sich in den Raffinessen und Risiken der Geopolitik auskennt, belegt, wie sich Mi- litärs, aber auch Wirtschaftsmagnaten noch immer der gleichen Methoden und Taktiken wie dereinst befleißigen, um sich Rohstoffquellen und Absatzmärkte zu sichern, unbequeme und unwillige Regime zu stürzen, ganze Völkerschaften zu unterwerfen. Beim Blick auf über zweieinhalb Jahrtausende ist zu konstatieren: »Die antike Kunst des Krieges bewahrt bis heute ihre tragische Aktualität.«
Natürlich (leider) ist die Kriegstechnik monströser und verheerender als zu Zeiten von Sun Tzu. Er konnte die Zerstörungswucht unserer Massenvernichtungswaffen nicht ahnen. Die Apparate zur Desinformation, Täuschung und Zersetzung sind gewaltiger und effizienter. Aber das menschliche Leid und der Verlust unwiederbringlich zerstörter kultureller Zeugnisse ist gleichermaßen beklagenswert.
Der Band durchleuchtet die Strategien und Abenteuer der »Kriegskünstler« der vergangenen 25 Jahre. Immer und überall, von Jugoslawien bis Syrien, hatten Washington und das Pentagon ihre Finger im Spiel, unterstützt von deren Marionetten im Brüsseler NATO-Hauptquartier. Dem Verleger Giuseppe Zambon ist zu danken, mit diesem Band erneut ein zeitkritisches Buch auf den Markt gebracht zu haben.
Manlio Dinucci: Die Kunst des Krieges. Jahrbücher der Strategie USA/NATO (1990 – 2015). Zambon, 576 S., br., 18 €.