Kein Betriebsunfall
Erhard Crome über das Phänomen Trump und die Deutschen
Unlängst lud mich jemand zum Essen, und ehe ich die Gabel zum Munde führen konnte, kam es über den Tisch: »Und, was meinen Sie, wann wirft der verrückte Nordkoreaner die Bombe?« Die Frage war so absurd wie verständlich, denn in den hiesigen Medien herrschte Hysterie, von der sich mein Gegenüber offenkundig hatte anstecken lassen. »Nie«, sagte ich und nahm den ersten Bissen. Eine Drohung wirke immer nur so lange, wie sie nicht ausgeführt wird. Und außerdem sei »der Nordkoreaner« keineswegs »verrückt«, dessen Vorgehen folge der Logik. Welcher, das erführe man beispiels- bis in die 2060er Jahre reichen soll. Barack Obama gilt trotzdem weiter als honorig.« So Crome. Und macht damit auf den Unterschied von Sein und Schein aufmerksam. Womit er sich als dialektischer Materialist zu erkennen gibt, also als einer Spezis zugehörig, die im Aussterben begriffen ist. Zu deren Merkmal gehört bekanntlich das Wissen, dass Wesen und Erscheinung zwei verschiedene Dinge sind. Trump Weltkulturerbe attackierte, 59 Raketen auf Syrien abfeuern ließ. Die Wort- und Meinungsführer der »freien Welt« atmeten erleichtert auf: »Der Weltpolizist ist wieder da.« (Zeit-Online am 7. April) Als wenn er jemals weg gewesen wäre.
Cromes Untersuchung unterscheidet sich von vergleichbaren Arbeiten darin, dass er Trump nicht als Betriebsunfall sieht, sondern diesen in den Kontext sowohl der US-Politik als auch internationaler Prozesse stellt. Womit Kontinuität sichtbar wird. Neu hingegen ist, dass die tatsächlich herrschenden Kreise, die bislang die Politik über die Wallstreet steuerten, auf diesen Umweg verzichteten. »Ein Flügel der herrschenden Klasse«, so Crome, hat nun »selbst und direkt die Macht übernommen«.
Was aber hat das mit Deutschland zu tun? Crome moniert nicht wie viele seiner hiesigen Kollegen Trumps schlechte und schlichte Umgangsformen, sondern beobachtet auch, welche Reflexe dessen scheinbar sprunghafte, unberechenbare Politik diesseits des Atlantik auslöst. Dass die Emanzipation Europas nur über die Beendigung der Nibelungentreue zur »Führungsmacht« erreicht werden kann, scheint unstreitig. Aber es bereitet Sorge, wie das erfolgt.
Deutschland drängt in eine Führungsrolle, die vornehmlich wirtschaftlich untersetzt ist. Dennoch gibt es Stimmen, die nach einer »deutschen Bombe« rufen, weil doch die USA den »atomaren Schutzschild« abziehen und ihr militärisches Engagement in Europa reduzieren könnten. Crome, der Fachmann, erklärt kundig, warum »die deutsche Alternative zu Donald Trump« nicht eine Verstärkung der militärischen Aufrüstung sein dürfe, sondern eine zivilisierte, auf Frieden, Zusammenarbeit und Abrüstung orientierte Außen- und Europapolitik sein müsse. Diese durchzusetzen, erfordert allerdings zunächst zu begreifen, dass wir uns »nach dem Ende der Sowjetunion und des Realsozialismus im Osten Europas«, so der Politikwissenschaftler, »wieder in einer Epoche des Imperialismus, in einem weltweiten imperialistischen System befinden«. Und da dominiert – siehe Nordkorea – nun mal die Logik des Drucks und nicht die der Diplomatie.
Erhard Crome: Faktencheck: Trump und die Deutschen.
Das Neue Berlin,
160 S., br., 12,99 €.