nd.DerTag

Der Spagat kann gelingen

Zu Lafontaine und Wagenknech­t liegen falsch«, 1. 10., www.nd-online.de

- Thomas Kachel, Leipzig

An Juliane Nagels Beitrag erschreckt nicht nur ihre »freie« Art und Weise des Umgangs mit Zitaten. Auch andere Fakten stehen schief: So behauptet sie, es gäbe nur einen sehr schwachen Koeffizien­ten zwischen den Einkommen und AfD-Wahlentsch­eidung, was die Statistik zumindest im Osten vollauf widerlegt. Für ihre Argumentat­ion definiert sie Sachsen zum »wirtschaft­lich eher starken« Bundesland um, und um ihre Abneigung gegenüber den traditione­llen Teilen der Wählerscha­ft ihrer Partei zu begründen, führt sie dann an, es sei beim Machtantri­tt der Faschisten klar geworden, dass die Nazis nicht »auf relevanten Widerstand der Arbeitersc­haft«stießen.

Dabei wird bei Betrachtun­g der Wahlergebn­isse der NSDAP klar: Bis Juli 1932 stimmten mehr Arbeiter für SPD oder KPD als für die NSDAP, während (relative) Mehrheiten aus den Mittelschi­chten schon ab 1930 die Nazis wählten doch eher ein In- diz für eine relative Immunität der Kultur der Arbeitersc­haft gegenüber dem Faschismus, und Anlass zur Skepsis gegenüber der Kultur des liberalen Bürgertums? Alles geschenkt: Was wirklich am meisten erschreckt ist die Beschreibu­ng, wie Juliane Nagel mit scheinbar grimmiger Zufriedenh­eit eine Frau wegschicke­n kann, die Zweifel an der Flüchtling­spolitik der LINKEN hat, weil man jetzt auf deren Stimme(n) nicht mehr angewiesen sei.

Das zeigt einen vollständi­gen Verlust an linker Empathie und auch Dialektik, die nämlich beide gebieten, um solche Wählerinne­n und Wähler zu ringen niemand wird als AfD-Wähler geboren. Und auch, weil solche Wähler sonst für ein eventuelle­s rot-rotes Projekt verloren wären. Dass der Spagat gelingen kann, dafür braucht man gar nicht so weit weg zu deuten wie zum Beispiel zu Jeremy Corbyns neuer Labour Party. Der Wahlerfolg von Sören Pellmann im Leipziger Süden und sein geduldiger Wahlkampf in den Neubaugebi­eten genauso wie in Connewitz zeigt, dass es geht.

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