Der Spagat kann gelingen
Zu Lafontaine und Wagenknecht liegen falsch«, 1. 10., www.nd-online.de
An Juliane Nagels Beitrag erschreckt nicht nur ihre »freie« Art und Weise des Umgangs mit Zitaten. Auch andere Fakten stehen schief: So behauptet sie, es gäbe nur einen sehr schwachen Koeffizienten zwischen den Einkommen und AfD-Wahlentscheidung, was die Statistik zumindest im Osten vollauf widerlegt. Für ihre Argumentation definiert sie Sachsen zum »wirtschaftlich eher starken« Bundesland um, und um ihre Abneigung gegenüber den traditionellen Teilen der Wählerschaft ihrer Partei zu begründen, führt sie dann an, es sei beim Machtantritt der Faschisten klar geworden, dass die Nazis nicht »auf relevanten Widerstand der Arbeiterschaft«stießen.
Dabei wird bei Betrachtung der Wahlergebnisse der NSDAP klar: Bis Juli 1932 stimmten mehr Arbeiter für SPD oder KPD als für die NSDAP, während (relative) Mehrheiten aus den Mittelschichten schon ab 1930 die Nazis wählten doch eher ein In- diz für eine relative Immunität der Kultur der Arbeiterschaft gegenüber dem Faschismus, und Anlass zur Skepsis gegenüber der Kultur des liberalen Bürgertums? Alles geschenkt: Was wirklich am meisten erschreckt ist die Beschreibung, wie Juliane Nagel mit scheinbar grimmiger Zufriedenheit eine Frau wegschicken kann, die Zweifel an der Flüchtlingspolitik der LINKEN hat, weil man jetzt auf deren Stimme(n) nicht mehr angewiesen sei.
Das zeigt einen vollständigen Verlust an linker Empathie und auch Dialektik, die nämlich beide gebieten, um solche Wählerinnen und Wähler zu ringen niemand wird als AfD-Wähler geboren. Und auch, weil solche Wähler sonst für ein eventuelles rot-rotes Projekt verloren wären. Dass der Spagat gelingen kann, dafür braucht man gar nicht so weit weg zu deuten wie zum Beispiel zu Jeremy Corbyns neuer Labour Party. Der Wahlerfolg von Sören Pellmann im Leipziger Süden und sein geduldiger Wahlkampf in den Neubaugebieten genauso wie in Connewitz zeigt, dass es geht.