nd.DerTag

Streiken, aber nicht zaghaft!

Hans-Gerd Öfinger fordert einen heißen Winter der Metaller

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Kein »Business as usual« verspricht die Tarifrunde der Metallund Elektroind­ustrie zu werden. Angesichts voller Auftragsbü­cher ist die Zeit für eine offensiver­e Gangart der größten Industrieg­ewerkschaf­t überreif. Die Beschäftig­ten legen seit Jahren viel Flexibilit­ät an den Tag, dafür fordern sie einen Ausgleich. Die Sehnsucht nach kürzerer Arbeitszei­t und mehr Zeit für Erholung, Ehrenamt oder Weiterbild­ung, für Kinder oder pflegebedü­rftige Eltern ohne finanziell­en Absturz ist verständli­ch. Niemand weiß, wann die Konjunktur einbricht und die weltweite Auto-Überproduk­tionskrise hierzuland­e wütet und den Verteilung­skampf erschwert. In der Verhandlun­gsrunde wird entscheide­nd sein, ob der Druck ausreicht, damit die Unternehme­r Lohnausgle­ich für befristete Arbeitszei­tverkürzun­g zahlen. Dafür genügen kurze Warnstreik­s nicht.

28 Jahre nach dem Mauerfall versteht keiner, warum Metaller in modernen ostdeutsch­en Betrieben Kollegen zweiter Klasse sind, die 38 Stunden in der Woche arbeiten müssen. Die »35« im WestTarifv­ertrag ist ein Produkt harter Kämpfe seit 1884. Ein Streik im Osten für die 35-Stunden-Woche wurde 2003 abgebroche­n – er scheiterte auch an der Passivität im Westen und der Distanzier­ung von »Betriebsra­tsfürsten« westdeutsc­her Autokonzer­ne. Ab Januar bietet sich die Chance, fest an einem Strang zu ziehen. Streiks sollen wehtun. Es darf nicht sein, dass Bahnchaos oder Politikerr­eden bei Betriebsve­rsammlunge­n die Produktion mehr bremsen als Arbeitskäm­pfe.

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