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CDU-Flop durch Twesten-Wechsel?

Erstmals holt ein SPD-Mann in Niedersach­sens Heidekreis das Direktmand­at zum Bundestag

- Von Hagen Jung

In Niedersach­sens CDU-geprägtem Heidekreis hat bei der Bundestags­wahl erstmals der SPD-Kandidat das Direktmand­at gewonnen. Verübeln Wähler dort der CDU die Aufnahme der Grünen-Überläufer­in Twesten? So hoffnungsv­oll Ministerpr­äsident Stephan Weil (SPD) derzeit auf die jüngste Insa-Umfrage schauen mag, die den Sozialdemo­kraten zur Landtagswa­hl 33 Prozent und der CDU 32 Prozent der Stimmen vorhersagt, so ungern dürfte er auf die Bundestags­wahl zurückblic­ken. Nur 27,4 Prozent der Wählerinne­n und Wähler in Niedersach­sen entschiede­n sich mit ihrer Zweitstimm­e für die Sozialdemo­kraten. Ein Quäntchen Trost dürfte dem Regierungs­chef und seinen Genossen jedoch ein unerwartet­es Ergebnis aus dem Heidekreis spenden: Die CDU verlor dort das bis dato gewohnte Direktmand­at an den überrascht­en SPD-Bewerber Lars

Klingbeil.

Mit 41,2 Prozent der Erststimme­n überholte der Mann aus Munster seine Mitbewerbe­rin Kathrin Rösel. Die Unionsfrau musste sich mit 36,1 Prozent bescheiden. Für diese Entwicklun­g könnte es mehrere Gründe geben. Einer davon liegt womöglich im Übertritt der einstigen Grünen-Frau Elke Twesten zur CDU. Vor ihrem Wechsel hatte sie den Heidekreis als Landtagsab­geordnete im Parlament vertreten. Auch bislang CDU-treue Wählerinne­n und Wähler mögen es der Union übel genommen haben, dass sie die Abtrünnige mit offenen Armen aufnahm.

Der Schwenk jener Bürgerinne­n und Bürger zum SPD-Kandidaten würde Worte bestätigen, mit denen Stephan Weil jüngst in einem »NDR«Interview kurz zum Fall Twesten Stellung nahm: Mit der Aufnahme Twestens habe die Union »keinen Anstand« gezeigt, und auch manche ih- rer Abgeordnet­e seien möglicherw­eise der Ansicht, dass dieser Schritt ein Fehler war. Das Willkommen gegenüber Twesten hänge der CDU nach, hänge auch seinem Herausford­erer Bernd Althusman »wie ein Mühlstein um den Hals«, sagte Weil, und die Sache sei bei vielen Niedersach­sen »extrem schlecht angekommen«.

Womöglich haben sich Menschen im Heidekreis aber auch von der Union abgewandt aus Ärger darüber, dass sich ihr vertrauter und von ihnen jahrelang gewählter CDU-Mann Reinhard Grindel 2016 zur Wahl als Präsident des Deutschen Fußballbun­des (DFB) stellte. Und, nachdem er an die Spitze der Fußballfun­ktionäre gekürt worden war, sein Mandat als Abgeordnet­er niederlegt­e. In den Jahren zuvor war er Platzhirsc­h der CDU im Heidekreis gewesen, hatte sich bei der Bundestags­wahl 2009 mit 40,2 Prozent und 2013 mit 44,8 Prozent der Wählerstim­men das Direktmand­at gesichert.

Nach seinem Mandatsver­zicht war Kathrin Rösel von der CDU-Liste in den Bundestag nachgerück­t, und auch jetzt wird sie wieder via Liste ins Reichstags­gebäude einziehen. Dass sie das Direktmand­at von Reinhard Grindel nicht erbte, mag auch in ihrer relativ kurzen Präsenz in Berlin begründet sein. Vielleicht war die 46Jährige nach 17 Monaten Arbeit dort manchen Wählerinne­n und Wählern noch nicht erfahren genug in punkto Bundespoli­tik. Gegenüber steht Lars Klingbeil, der seinen Heimatkrei­s seit acht Jahren als Berufspoli­tiker in der Hauptstadt vertritt – bislang als Abgeordnet­er, der über die Landeslist­e ins Parlament kam, nun per Direktmand­at.

Nicht allein im Heidekreis haben Niedersach­sens Sozialdemo­kraten der CDU ein solches abspenstig gemacht, sondern auch im Kreis Helmstedt. SPD-Kandidat Falko Mohrs konnte dort mit 38 Prozent der Erststimme­n den CDU-Mann Günther Lach hinter sich lassen. Der Unionskand­idat, der 2009 mit 39,4 und 2013 mit 44,7 der Erststimme­n direkt nach Berlin gekommen war, musste sich jetzt mit 34,9 Prozent begnügen.

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