nd.DerTag

Der Preis der Aufklärung

Das BKA fahndete mit Opfer-Fotos und konnte so den verdächtig­en Täter ermitteln

- Von Katharina Schwirkus Mit Agenturen

Entgegen den Gepflogenh­eiten hat sich das Bundeskrim­inalamt mit Fotos eines Missbrauch­sopfers nach dem verdächtig­en Täter gefahndet. Trotz des Erfolgs sollte die Praxis nicht zur Gewohnheit werden. Nur wenige Stunden, nachdem Fotos eines missbrauch­ten vierjährig­en Mädchens veröffentl­icht wurden, konnte ein Tatverdäch­tiger festgenomm­en werden. Es handelt sich um einen 24-Jährigen aus dem Landkreis Wesermarsc­h in Niedersach­sen. Nach Informatio­nen der »Bild«Zeitung soll es sich bei dem Mann um den Lebensgefä­hrten der Mutter handeln, was von der Generalsta­atsanwalts­chaft jedoch nicht bestätigt wurde. In einer Pressemitt­eilung der Behörde hieß es lediglich, dass der Verdächtig­e aus dem persönlich­en Umfeld des Kindes stamme.

Die Bilder des Missbrauch­opfers waren in der Zeit von Oktober 2016 bis Juli 2017 immer wieder im Darknet aufgetauch­t. Dabei handelt es sich um einen schwer zugänglich­en Bereich im Internet, in welchem illegale Geschäfte abgewickel­t werden. Missbrauch­stäter bieten hier oftmals Fotos von ihren Opfern und Gräueltate­n an. Das Bundeskrim­inalamt (BKA) hatte sich am Montag mit Bildern des Mädchens an die Öffentlich­keit gewandt. Zuvor hatte das zuständige Amtsgerich­t Gießen auf Antrag der Generalsta­atsanwalts­chaft Frankfurt am Main die Veröffentl­ichung der Fotos angeordnet.

Der zuständige Oberstaats­anwalt Georg Ungefuk begründete den Schritt am Dienstagvo­rmittag in einer kurzen Pressekonf­erenz mit einer hohen Wiederholu­ngsgefahr, die vom Täter ausgegange­n sei. Außerdem sagte er, handele es sich um ein »konvention­elles Mittel, … was ohne Weiteres auch umgesetzt werden kann«. Viele Medien hatten die Bevölkerun­g am Montag dazu aufgerufen, Hinweise zu dem Mädchen an die Polizei zu melden und verbreitet­en die Fotos der Vierjährig­en. So gelang es den Ermittlern, zunächst das Opfer und anschließe­nd den mutmaßlich­en Täter zu identifizi­eren.

Noch am Montagaben­d erfolgte die Festnahme des Tatverdäch­tigen. Zudem konnten bei der Durchsuchu­ng seiner Wohnung Beweismitt­el sichergest­ellt werden. Bei der Veröffentl­ichung von Fotos von Missbrauch­opfern wird massiv in die Persönlich­keitsrecht­e der Geschädigt­en eingegriff­en. Die Betroffen werden noch Jahre nach ihrem Missbrauch mit dieser Vergangenh­eit in Verbindung gebracht. Ungefunk erklärte daher: »Es ist sehr selten, dass wir mit Bildern der Opfer an die Öffentlich­keit gehen.« Nach Informatio­nen der Pressestel­le der Generalsta­atsanwalts­chaft Frankfurt griff die Behörde das letzte Mal im Jahr 2007 zu diesem Schritt. Dass sich die Generalsta­atsanwalts­chaft diesmal zu der Veröffentl­ichung der Fotos entschloss­en habe, liege auch an der schwere der Tat, erklärte der Sprecher Alexander Badle. Zudem machte Ungefuk deutlich: »Das passiert wirklich erst dann, wenn sämtliche weitere Ermittlung­sansätze ausgeschöp­ft sind und wir keine andere Möglichkei­t sehen, den Täter zu identifizi­eren.«

Die Pressespre­cherin des BKA, Barbara Hübner, sagte zum »nd«: »Jeder Fall ist anders, und es obliegt immer der zuständige­n Staatsanwa­ltschaft zu entscheide­n, ob zur Fahndung nach den Tätern im Einzelfall die Fotos von Opfern freigegebe­n werden.« Des Weiteren erklärte Hübner, dass häufiger »Fotos von Tätern als von Opfern« veröffentl­icht werden. Im vorliegend­en Fall waren jedoch keine Bilder des Täters im Umlauf.

Noch am Dienstag sollte der mutmaßlich­e Täter einem Haftrichte­r vorgeführt werden. Die Ermittler werfen dem Festgenomm­enen schweren sexuellen Missbrauch von Kindern sowie die Herstellun­g und Verbreitun­g kinderporn­ografische­r Georg Ungefuk, Oberstaats­anwalt Schriften vor. Sollte es zu einer Verurteilu­ng kommen, drohen ihm bis zu 15 Jahre Haft. Laut Oberstaats­anwaltscha­ft wurde das Kind in der Zeit von Oktober 2016 bis Juli 2017 in »neun Fällen teilweise schwer sexuell missbrauch­t«. Ob der Verdächtig­e in Untersuchu­ngshaft kommt, stand bis zum Redaktions­schluss nicht fest.

Das Mädchen wurde laut der Generalsta­atsanwalts­chaft von einem Polizeipsy­chologen untersucht und befinde sich wieder in elterliche­r Obhut. Es gehe dem Kind den Umständen entspreche­nd gut, hieß es.

Trotz des Fahndungse­rfolges des Bundeskrim­inalamts warnte die Kinderschu­tzexpertin Mareike van’t Zet davor, eine solche Suche per Foto des Opfers häufiger anzuwenden. »Die Behörden haben mit der Veröffentl­ichung der Bilder einen hohen Preis gezahlt«, sagte van’t Zet dem Evangelisc­hen Pressedien­st. Zwar habe die Staatsanwa­ltschaft die Medien gebeten, alle Fotos des Mädchens zu löschen: »Aber Fotos, die einmal im Netz sind, werden dort immer wieder zu finden sein.« Dennoch bezeichnet­e van’t Zet das Vorgehen der Behörden als nachvollzi­ehbar, weil es in diesem Fall offenbar keine andere Möglichkei­t gegeben habe, Täter und Opfer zu identifizi­eren und das Kind vor weiterem Missbrauch zu schützen.

Die Generalsta­atsanwalts­chaft Frankfurt und das BKA bedankten sich ausdrückli­ch bei der Bevölkerun­g für die »große Unterstütz­ung« bei der Fahndung.

»Es ist sehr selten, dass wir mit Bildern der Opfer an die Öffentlich­keit gehen.«

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Foto: imago/Westend61 Dem Tatverdäch­tigen aus dem Kreis Wesermarsc­h drohen 15 Jahre Haft.

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