Verhandelt ihr noch oder regiert ihr schon?
Eine Vier-Parteien-Koalition übernimmt die politischen Geschäfte in den Niederlanden
Rund sieben Monate nach der Parlamentswahl in den Niederlanden präsentiert das neue Regierungsbündnis in Den Haag nun sein Programm. Gibt es eine neue Regierung oder nicht? Oder auf Niederländisch: »Is er al'n kabinet?« – das ist der Name eines hiesigen Twitteraccounts mit über 23 000 Follower. Und die Frage, die das Land beschäftigte. Anonyme Quellen leakten vergangene Woche Informationen über die Regierungsvereinbarungen. Die Opposition lief Sturm. Wer morgendlich Twitter checkte, bekam eine einfache, aber akkurate Berichterstattung. »Nein«, hieß es da täglich auf die Frage, ob es schon so weit sei. Bis »Is er al 'n kabinet?« am Sonntag vermeldete: »Beinahe«. Nach 207-tägigen Regierungsverhandlungen wurden den Fraktionen am Montag schließlich die Koalitionsvereinbarungen vorgelegt. Am Dienstag arbeiteten sie letzte Änderungen ein. Am Mittwoch gibt Ex-Minister Gerrit Zalm, der die Koalitionsgespräche geführt hatte, ein Pressekonferenz, um die Resultate bekannt zu machen. Die längsten Koalitionsverhandlungen, die es in der niederländischen Geschichte gegeben hat: Was haben sie gebracht?
Da vier Parteien am Verhandlungstisch saßen, mussten alle Koa- litionspartner Kompromisse eingehen. Erstens werden Steuerabzugsberechtigungen für den Häuserkauf abgebaut. Das schmerzt besonders die VVD, die Partei des Premiers Marc Rutte, die ihrer Wählerschaft in der Wahlkampagne »Ruhe an der Häuserfront« versprochen hatte.
Zweitens will die neue Regierung den Cannabisanbau unter staatlicher Aufsicht legalisieren. Bislang war der Konsum von Cannabis für Volljährige legal, der Verkauf wurde geduldet und strafrechtlich nicht verfolgt. Die Produktion sowie der Import war jedoch illegal, wodurch ein krimineller schwarzer Markt für die Zulieferung an Coffee Shops entstand. Die christlich-konservative CDA hatte sich jahrzehntelang gegen diesen Schritt gesperrt, stimmte nun aber unter der Bedingung zu, dass die Regierung 100 Millionen Euro in die Bekämpfung von Drogenkriminalität stecken wird.
Drittens erhöhen sich die Monatsbeiträge der Krankenversicherung. Das sogenannte Eigenrisiko – ein Sockelbetrag, den Patienten selbst zahlen – wird nicht verringert, wie von der CDA und der Christen Unie gefordert. Schließlich machte die liberale Partei D66 asylpolitische Kompromisse und zog ihre Forderung nach einer Ausweitung der »Kinderpardon-Regelung« zurück. Sie erlaubt Asyl suchenden Kindern, die bereits mehr als fünf Jahre in den Niederlanden wohnen, einen Ver-