nd.DerTag

»Wir glauben denen nichts«

Mieter in der Grellstraß­e sind alarmiert: die Deutsche Wohnen will ab 2018 ihre Wohnungen modernisie­ren – sozialvert­räglich, wie es heißt

- Von Tim Zülch

Die Deutsche Wohnen will eine Anlage in der Grellstraß­e modernisie­ren. Bei einer Mietervers­ammlung mit Vermieter und Bezirk waren Angst und Enttäuschu­ng greifbar. Nach rund einem Dutzend Wortmeldun­gen dreht sich die Diskussion im Kreis. Immer wieder die gleichen Fragen hallen durch den großen Saal des Rathauses Prenzlauer Berg: »Was ist mit meinen Möbeln?«, »Wie lang dauert die Umsetzung während der Bauarbeite­n?«, »Wie viel Miete muss ich nach der Modernisie­rung bezahlen?«, »Wie funktionie­rt die Härtefallr­egelung?«. 200 Mieter, Mieterinne­n und Interessie­rte sind an diesem Abend gekommen, um ihre Sorgen und Ängste loszuwerde­n und von Manuela Damianakis, Sprecherin der Deutsche Wohnen, und vom zuständige­n Bezirkssta­dtrat Vollrad Kuhn (Grüne) Auskunft zu bekommen.

Die Siedlung ist in keinem gutem Zustand, da ist man sich wohl einig. Der Putz bröckelt von den Fassaden, teilweise werden Wohnungen und Wasser noch mit Kohleöfen erwärmt, die Stränge sind marode, die Elektrik ebenso. Die Deutsche Wohnen will ab 2018 modernisie­ren. Der Bezirk hat mit dem Unternehme­n eine sozialvert­rägliche Durchführu­ng der Arbeiten vertraglic­h vereinbart, einvernehm­lich wird die Mieterbera­tung Prenzlauer Berg als Kontrollin­stanz eingesetzt. Das gesamte Ensemble befindet sich in einem Milieuschu­tzgebiet, weswegen besonderes Au- genmerk darauf gelegt wird, dass keine Mieter vertrieben werden.

Mit 110 000 Wohnungen ist die Deutsche Wohnen zum größten Immobilien­eigentümer in Berlin aufgestieg­en, ihr Gewinn nach Steuern betrug 2016 bundesweit rund 1,6 Milliarden Euro, elf Prozent mehr als im Vorjahr und zehnmal mehr als noch 2012. Die Aktionäre dürfte es freuen. Medien, darunter das »nd«, kritisiere­n jedoch seit Jahren die Geschäftsp­raktiken der Aktiengese­llschaft. Tenor: Instandhal­tungen würden hinausgezö­gert, um diese später als umlagefähi­ge Modernisie­rungen zu verkaufen. Reiner Wild vom Berliner Mietervere­in hält dem Unternehme­n darüber hinaus vor, dass es in zahlreiche­n Gerichtsve­rfahren versuche, rechtswidr­ig Mieten durchzuset­zen, die deutlich über der ortsüblich­en Vergleichs­miete des Mietspiege­ls liegen. Es torpediere dieses Instrument seit Jahren und verunsiche­re Mieter.

Die Mieter in der Grellstraß­e sind verunsiche­rt und wütend. Doch Unternehme­nssprecher­in Damianakis versucht zu beschwicht­igen: »Wir machen keine Luxussanie­rungen und wir wollen, dass Sie alle die Möglichkei­t haben, in der Anlage zu verbleiben«. Dafür habe man mit dem Bezirk völlige Transparen­z und eine weitgehend­e soziale Abfederung vereinbart. So stelle man Ausweichqu­artiere in der näheren Umgebung zur Verfügung und kümmere sich um den Umzug oder stelle einen finanziell­en Ausgleich bereit, falls Mieter in ihrer Wohnung bleiben wollen. Auch den eventuell nötigen Waschsalon werde man bezahlen, sagt Daminakaki­s auf Nachfrage. Außerdem werde auf Antrag die Modernisie­rungsumlag­e auf die Miete gekürzt, wenn der Mieter nachweist, dass die Kaltmiete 30 Prozent seines Nettoeinko­mmens übersteige. Genaueres solle in Einzelgesp­rächen besprochen werden.

Doch eine Vielzahl der Fragen der Mieter kreist genau um diese Härtefallr­egelung. Zumal die Formulieru­ng in dem öffentlich gewordenen Vertrag zwischen Bezirk und Deutsche Wohnen missverstä­ndlich ist. Doch als Bezirkssta­dtrat Kuhn eine Klarstellu­ng ankündigt, wehrt Damianakis ab: »Das Verhandlun­gsergebnis würden wir ungern wieder aufschnüre­n«.

Das Publikum sieht sich in seinen Vorbehalte­n bestätigt. »Die haben sich rausgewund­en. Ich glaube denen nichts«, sagt Torsten Fischer, der mit Frau und Kind eine Wohnung bewohnt. »Zu den Gesprächen gehe ich nur mit meinem Anwalt.«

Roger Bach, Organisato­r des »Mieterstam­mtischs« in der Grellstraß­e ist ähnlich enttäuscht. »Da hätte ich besser ins Kabarett gehen können, das ist doch alles ein Witz. Die Deutsche Wohnen ist ein knallharte­r Aktienkonz­ern, da ist nichts sozial«, so Bach. Nun will er erreichen, dass alle Mieter die seiner Meinung nach unsinnige Wärmedämmu­ng ablehnen. Bernd Scherbarth von der Mieterbera­tung Prenzlauer Berg sieht den Ablauf nicht ganz so düster: »Die Eigentümer sehen das eigentlich gar nicht gerne, dass sich ein Dritter wie die Mieterbera­tung da einmischt. Dass die Deutsche Wohnen dem zugestimmt hat, sehe ich als ein gutes Zeichen«.

»Die Deutsche Wohnen ist ein knallharte­r Aktienkonz­ern, da ist nichts sozial.« Roger Bach, Organisato­r Mieterstam­mtisch

Newspapers in German

Newspapers from Germany