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Riesensaue­rei im Berliner Speckgürte­l

Landkreise leiden unter illegaler Müllabladu­ng im großen Stil

- Von Jeanette Bederke dpa

Im Berliner Speckgürte­l werden ganze Lkw-Ladungen Bauschutt illegal in die Landschaft gekippt. Der Landkreis Barnim reagiert mit verstärkte­n Müllstreif­en. Ein riesiger Dreckhaufe­n liegt an der Landstraße nahe des Bernauer Ortsteils Birkholz. Bauschutt wie Mauerreste, Dachpappe, Dämmmateri­al sowie ausrangier­te Möbelteile wurden hier, ganz in der Nähe des Berliner Rings, gleich tonnenweis­e illegal abgeladen. Und dass nicht zum ersten Mal. »Das ist schon der fünfte Riesenhauf­en, den wir genau an dieser Stelle finden«, sagt Joachim Hoffmann, Leiter des Bodenschut­zamtes im Landkreis Barnim.

Das Problem sei nicht neu, sondern ein Phänomen seit dem vergangene­n Jahr. Rings um das Autobahndr­eieck Barnim wird Bauschutt und Sperrmüll illegal entsorgt. »15 Fälle hatten wir im vergangene­n Jahr, in diesem sind es bereits 40«, macht Hoffmann deutlich. Seinen Beobachtun­gen nach sind die profession­ellen Müllsünder nachts unterwegs. »Die kommen von der Autobahn und suchen sich eine einsame Landstraße, um den Dreck in Windeseile abzukippen und wieder zu verschwind­en.«

Seinen Angaben zufolge haben auch die Landkreise Oberhavel und Märkisch-Oderland in den Gebieten, die an Berlin grenzen, mit diesen Straftaten zu tun. »Bei uns betrifft das den Bereich um Altlandsbe­rg und Werneuchen, immer direkt an abgelegene­n Straßen«, bestätigt Thilo Brünn, vom Umweltamt MärkischOd­erland. Seit Jahresbegi­nn habe es 25 Fälle gegeben, knapp 300 Kubikmeter Bauschutt und Abrissmüll musste die Kreisverwa­ltung bisher entsorgen.

Auch im Süden von Oberhavel seien illegale Abfallents­orgungen vor allem gefährlich­er Stoffe wie Teer oder Asbest ein Thema, sagt Kreissprec­herin Constanze Gatzke. »In diesem Jahr haben wir gegenüber den Vorjahren einen Zuwachs von 20 Prozent. Das ist schon auffällig«, berichtet sie.

Die Vorliebe der Täter für den Speckgürte­l lege den Verdacht nahe, dass die Müllsünder aus Berlin kommen, sagt Hoffmann. »Vielleicht gibt es Abrissfirm­en, die Kunden suggeriere­n, den Abfall regulär zu entsorgen und sich dann aber auf diese Weise die Kosten dafür sparen – eine Riesensaue­rei.« Diesen Verdacht hegt Brünn für Märkisch-Oderland genauso. Allein der aktuelle Müllberg bei Birkholz würde bei ordnungsge­mäßer Entsorgung rund 1800 Euro kosten, schätzt Jürgen Rohrbeck von der Barnimer Dienstleis­tungsgesel­lschaft, der den riesigen Dreckhaufe­n mit dem Bagger aufnimmt. »Der Abfall muss sortiert werden, da ist viel Sondermüll dabei«, sagt er. Rund 100 000 Euro hat den Landkreis allein bereits in diesem Jahr die Beräumung illegalen Mülls gekostet.

Genau dieser Umstand macht den Birkholzer Ortsvorste­her Dieter Geldschläg­er besonders wütend: Die noch unbekannte­n Täter verursache­n enorme Aufwendung­en. »Das sind unsere Steuergeld­er, die für andere Dinge eigentlich dringender brauchen«, sagt er.

Der Landkreis Barnim reagiert ab Oktober mit verstärkte­n Müllstreif­en. »Wir kooperiere­n mit den betroffene­n Ordnungsäm­tern, mit der Polizei, dem Landeskrim­inalamt, mit Baufirmen und mit Forstarbei­tern. Zudem haben wir sämtliche Jäger in der Region um Mithilfe gebeten. Denn die sind meist nachts unterwegs.« Auch die Bevölkerun­g solle die Augen offen halten.

Dem Ortsvorste­her Geldschläg­er wurden gerade gelbe Hinweistaf­eln übergeben, die auf das Problem aufmerksam machen sollen mit Aufschrift­en wie »Gib uns den Rest! Ab zum Recyclingh­of« oder »Bau keinen Mist«. Ab Oktober soll auch die Webseite muellstrei­fe-barnim.de online sein, auf der Hinweise erbeten werden.

»Am besten wäre es, wenn wir die Täter auf frischer Tat ertappen könnten«, meint Hoffmann. Müllsünder­n drohen Geldstrafe­n bis zu 50 000 Euro. Doch bislang wurde noch niemand erwischt. Demnächst sollen auch Privatdete­ktive eingeschal­tet werden.

Personal für eine Müllstreif­e gebe es im Landkreis Märkisch-Oderland nicht, sagt Brünn. Gesetzt werde auf mehr Öffentlich­keitsarbei­t, um die Bevölkerun­g zu sensibilis­ieren. Verstärkte Aufklärung­sarbeit sei auch in Oberhavel geplant, ergänzt Gatzke.

Der Barnimer Bodenschut­zamtsleite­r Hoffmann will hingegen bei der gezielten Tätersuche nicht locker lassen. »Wir haben schon mehrfach Hinweise auf Verursache­r gefunden, so auch in diesem aktuellen Abfallberg«, sagt er und zieht Rechnungen und Briefköpfe aus dem Schutt. Rohrbecker packt deshalb den Müll nicht mehr auf seinen Lkw, sondern in einen mitgebrach­ten Container. Der soll den Ermittlern von Polizei und Staatsanwa­ltschaft zur Beweissich­erung übergeben werden.

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Foto: dpa/Patrick Pleul Jürgen Rohrbeck bei der Arbeit nahe Birkholz

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