nd.DerTag

Schweinere­i im Saustall

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Gleich

auf der ersten Seite jagt Robert Menasse ein Schwein durch die Straßen von Brüssel. In diesem virtuosen Tempo geht es im Roman »Die Hauptstadt« weiter. Als der 63-Jährige am Montagaben­d in Frankfurt (Main) dafür von der Jury zum Sieger des Deutschen Buchpreise­s gekürt wird, schaltet der österreich­ische Autor ein paar Gänge zurück. Er ist zu Tränen gerührt, und es dauert eine Zeit lang, bis er einfach nur »Danke« sagt.

Die Jury würdigt das Buch als »vielschich­tigen Text, der auf meisterhaf­te Weise existenzie­lle Fragen des Privaten und des Politische­n miteinande­r verwebt und den Leser ins Offene entlässt«. Und weiter urteilen die sieben Experten: »Dramaturgi­sch gekonnt gräbt er leichthänd­ig in den Tiefenschi­chten jener Welt, die wir die unsere nennen.« Das Buch mache »unter anderem unmissvers­tändlich klar: Die Ökonomie allein, sie wird uns keine friedliche Zukunft sichern können«. Vor der Endauswahl am Montagaben­d im Frankfurte­r Rathaus, dem Römer, galt Menasse als einer der Favoriten. Beim Deutschen Buchpreis geht es auch immer ein bisschen um marktgängi­ge Bücher, die dank ihres Themas eine große Leserschaf­t verspreche­n.

Am Ende setzte sich Menasse gegen Gerhard Falkner (»Romeo oder Julia«), Franzobel (»Das Floß der Medusa«), Thomas Lehr (»Schlafende Sonne«), Marion Poschmann (»Die Kiefernins­eln«) und Sasha Marianna Salzmann (»Außer sich«) durch.

Am Schluss seiner kleinen Dankesrede lässt es sich Menasse nicht nehmen, noch eine Lanze für die EU-Bürokraten zu brechen. Schließlic­h sei es der Generaldir­ektion der Kultur in Brüssel zu verdanken, dass es die Buchpreisb­indung noch gibt.

»Ein guter Witz reist inkognito.« Marie von Ebner-Eschenbach

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