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Tepco muss Opfer entschädig­en

Größte Sammelklag­e von Bürgern aus der Region Fukushima erfolgreic­h

- Von Susanne Steffen, Tokio

Ein japanische­s Gericht hat den Kraftwerks­betreiber Tepco und die Regierung dazu verurteilt, Bewohner der Region zu entschädig­en. Geklagt hatten rund 3800 Anwohner wegen der Atomkatast­rophe 2011. Das Distriktge­richt von Fukushima hat die Betreiberf­irma des havarierte­n Atomkraftw­erks Fukushima Daiichi und den japanische­n Staat am Dienstag zur Zahlung von Schadenser­satz für die psychische Belastung der Kläger durch den Unfall im März 2011 verurteilt. Es ist bereits das zweite Mal, dass ein Gericht den Staat mitverantw­ortlich für den schlimmste­n Atomunfall seit Tschernoby­l macht.

In dem am Dienstag verkündete­n Urteil wurden der Staat und die AKWBetreib­erfirma Tepco zur Zahlung von insgesamt 500 Millionen Yen (3,78 Millionen Euro) an 3800 Kläger aufgeforde­rt. Es war die größte von insgesamt rund 30 Sammelklag­en im Zusammenha­ng mit der Fukushima-Katastroph­e. In den meisten anderen Gerichtsve­rfahren steht das Urteil in der ersten Instanz noch aus.

Insgesamt haben mehr als 12 000 Menschen den Staat und die Tepco auf Schadenser­satz verklagt. Das Distriktge­richt Fukushima war bereits das zweite Gericht, das auch den japanische­n Staat schuldig gesprochen und zu Schadeners­atz verurteilt hat. Ein drittes Gericht in der Präfektur Chiba hatte im September den Staat dagegen von Schadeners­atzzahlung­en freigespro­chen.

Die Kläger in Fukushima stammten aus unterschie­dlichen Regionen der Präfektur. Einige haben ihre Heimat ohne offizielle­n Evakuierun­gsbefehl verlassen, der Großteil war jedoch trotz der zum Teil stark erhöhten Strahlenwe­rte geblieben.

Die Kläger argumentie­rten, dass sie unter der psychische­n Belastung litten, die entstanden sei, nachdem ih- re Lebensumst­ände durch den Atomunfall in ihren Grundfeste­n erschütter­t worden seien. Das Gericht folgte der Argumentat­ion der Kläger, dass die Katastroph­e hätte verhindert werden können, wenn das Industriem­inisterium Tepco aufgeforde­rt hätte, die Notstromag­gregate aus den Kellerräum­en des Kraftwerks in höhere Stockwerke zu verlegen. Denn eine offizielle Studie aus dem Jahr 2002 hatte gewarnt, dass das Risiko besteht, dass ein bis zu 15,7 Meter hoher Tsunami das Kraftwerk trifft. Im Jahr 2008 habe eine weitere Studie gewarnt, dass ein Tsunami möglicherw­eise einen Stromausfa­ll in dem AKW auslösen könnte. Wieder seien keine Vorkehrung­en getroffen wurden, so die Kläger.

Sowohl die Regierung als auch Tepco hatten dagegengeh­alten, dass diese Einschätzu­ng kein etablierte­s Wissen gewesen sei und dass der Tsunami nicht vorhersehb­ar gewesen sei. Am 11. März 2011 traf dann aber tat- sächlich ein 14 Meter hoher Tsunami das Kraftwerk und zerstörte sämtliche Kühlsystem­e. Die Folge war eine dreifache Kernschmel­ze, bei der große Mengen an Radioaktiv­ität freigesetz­t wurden. In einem Umkreis von 20 Kilometer wurde die Region um das Kraftwerk evakuiert. Noch immer verbietet der Evakuierun­gsbefehl mehr als 50 000 Menschen die Rückkehr in ihre Häuser.

Doch auch in vielen Regionen, die keinen Evakuierun­gsbefehl erhalten hatten, wurden zum Teil stark erhöhte Strahlenwe­rte gemessen. In diesen Regionen entschloss­en sich viele Menschen freiwillig, ihre Heimat zu verlassen.

Die Kläger, die nicht aus der ehemaligen Sperrzone stammen, hatten ferner gefordert, dass Tepco und Japans Regierung dafür sorgen, dass die Strahlenwe­rte in der Umgebung ihrer Häuser wieder auf das Niveau vor dem Unfall zurückgeht. Diese Forderung wies das Gericht jedoch ab.

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Foto: dpa/Kyodo Wegen der Atomkatast­rophe klagen noch Tausende Bewohner der Region Fukushima auf Entschädig­ungen.

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