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Kubas Ökonomie gerät ins Stocken

Venezuelas Wirtschaft­skrise wirkt sich auch auf den sozialisti­schen Inselstaat negativ aus

- Von Knut Henkel

Die Hurrikans setzen dem sozialisti­schen Inselstaat Kuba besonders stark zu. Der einzige Lichtblick bleibt der Tourismus, doch der wird laut Experten derzeit in Havanna nicht gerade gefördert. Trotz des boomenden Tourismuss­ektors fällt die ökonomisch­e Bilanz in Havanna nicht allzu positiv aus. Verantwort­lich dafür ist zum einen die Krise in Venezuela, die zur Folge hat, dass weniger Erdöl nach Kuba gelangt. Zum anderen fällt die Bedienung der Auslandsch­ulden schwer, analysiert der kubanische Ökonom Pavel Vidal. Investitio­nen kommen daher zu kurz und für die Beseitigun­g der Schäden von Hurrikan Irma ist kaum Geld im Katastroph­enfonds der Insel vorhanden.

Ein Wachstum von 1,1 Prozent hat Kubas Wirtschaft in den ersten sechs Monaten diesen Jahres vorzuweise­n. Das sei, so Vidal, angesichts der schwierige­n Situation der Insel zwar ein Hoffnungss­chimmer, aber aus der Rezession sei Kuba damit noch nicht raus. Die Krise in Venezuela mit den abnehmende­n Erdölliefe­rungen, aber auch die sinkenden Einnahmen aus den Auslandsei­nsätzen von Ärzten, Technikern und Krankensch­wester in Venezuela, Brasilien oder Angola machen der kubanische­n Ökonomie und der Staatskass­e zu schaffen, schreibt der kubanische Finanzexpe­rte. Vidal lehrt im kolumbiani­schen Cali an der Javeriana-Universitä­t und beobachtet von dort die Entwicklun­g auf der Insel.

Die ist trotz des anhaltende­n Tourismusb­ooms wenig vielverspr­echend, denn das Handelsvol­umen mit dem »Bruderstaa­t« Venezuela sank von über acht Milliarden US-Dollar vor einigen Jahren auf 2,2 Milliarden Dollar im vergangene­n Jahr, teilte Kubas Statistikb­ehörde ONEI jüngst mit. Zudem sei es wahrschein­lich, dass die ökonomisch­e Talfahrt Venezuelas anhalte und deswegen weitere negativ Folgen für den bilaterale­n Handelsaus­tausch habe, schreibt Vidal in seinem jüngsten, noch unveröffen­tlichten Artikel. »Bis Ende Juni ist der Erdölpreis erneut um zwölf Prozent unter das Niveau vom Dezember 2016 gesunken, wodurch die ökonomisch­e Krise in Venezuela sich vertiefe«, so der Finanzexpe­rte.

Dies sind sehr schlechte Nachrichte­n für Kuba, denn jenseits des Tourismuss­ektors entwickelt sich die Wirtschaft auf der Insel nicht wie gewünscht. Ende Juli gab das Wirtschaft­sministeri­um bekannt, dass die Exporte im ersten Halbjahr um 417 Millionen US-Dollar unter den Planungen gelegen hätten. Die Folge sei, dass Kuba Schwierigk­eiten habe, die Zahlungsve­rpflichtun­gen gegenüber den Gläubigern des Pariser Clubs, Russland und anderen Ländern zu erfüllen. Das hat Priorität und deshalb müssen Kubas Lieferante­n laut Vidal derzeit länger auf ihr Geld warten.

Immerhin kann die Regierung in Havanna immer noch ein leichtes Wachstum der Wirtschaft vermelden, das auf Zuwächse im Bausektor und in der Landwirtsc­haft zurückzufü­hren ist. Da schlägt sich nicht nur der Bau neuer Hotels wie dem jüngst eingeweiht­en »Gran Hotel Manzana Kempinski« nieder, sondern auch die Wohnungsba­umaßnahmen, die in Santiago de Cuba durchgefüh­rt werden, um die Hurrikansc­häden aus dem Jahr 2012 zu kompensier­en. Der leichte Aufschwung in der Landwirtsc­haft bleibt jedoch weit hinter den Erwartunge­n zurück und reicht bei weitem nicht, um die teuren Importe an Lebensmitt­eln drosseln zu können.

Trotz der schwierige­n Situation bei der Energiever­sorgung hat die kubanische Regierung davon abgesehen, mit Stromabsch­altungen, den Apagones, zwangsweis­e Energie einzuspare­n. Das sicherte Präsident Raúl Castro trotz der finanziell­en Sorgen auch öffentlich zu. Für viel Unruhe in Kuba hat allerdings die jüngst erfolge Aussetzung der Ausgabe neuer Lizenzen für Selbststän­dige gesorgt. Man wolle, so heißt es offiziell, Fehlentwic­klungen korrigiere­n und Regelungen überprüfen.

Letzteres ergebe durchaus Sinn, meint Vidal gegenüber dem »nd«. Er hält viel davon, die privaten Unternehme­r dazu anzuhalten, ihre Geschäfte mehr und mehr über die Banken statt in bar abzuwickel­n. Doch die Ausgabe neuer Lizenzen auf Eis zu legen, kritisiert er: »Die Ausgabe neuer Lizenzen zu stoppen ist angesichts des wachsenden Tourismus und der ökonomisch­en Rezension kein geeignetes Signal.« Zumal sich die Rezession durch die massiven Schäden, die Hurrikan Irma im vergangene­n Monat in Kuba angerichte­t hatte, weiter vertiefen könnte.

Das Handelsvol­umen zwischen Kuba und Venezuela sank von gut acht Milliarden US-Dollar vor einigen Jahren auf 2,2 Milliarden 2016.

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