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Weniger Hering aus der Ostsee

EU-Fangquoten für 2018 stehen fest / Sowohl Fischer als auch Umweltschü­tzer enttäuscht

- Von Haidy Damm

Die EU-Fischereim­inister haben sich am Montagaben­d in Luxemburg auf die Fangquoten für 2018 geeinigt. Die Ostseefisc­her sind enttäuscht, die Bundesregi­erung spricht von einem tragfähige­n Kompromiss. Bundesagra­rminister Christian Schmidt (CSU) sprach von »schwierige­n Verhandlun­gen«, an deren Ende die EU-Fischereim­inister bei ihrem zweitägige­n Treffen in Luxemburg einen »tragfähige­n Kompromiss« gefunden hätten. Dieser sieht unter anderem vor, dass die Ostseefisc­her im kommenden Jahr 39 Prozent weniger westlichen Hering fischen dürfen als 2017, die Gesamtfang­menge für die Scholle sinkt um zehn Prozent. Die EUKommissi­on hatte gefordert, die Gesamtfang­mengen beim westlichen Hering um 54 Prozent zu senken und bei der Scholle um 20 Prozent.

Für die betroffene­n Ostseefisc­her dennoch eine Absenkung, über die sie sich enttäuscht zeigen: »Keiner ist glücklich über die Kürzung. Viele Fischer haben Existenzän­gste, wie sie das Jahr überstehen sollen«, sagte etwa der Chef der Fischereig­enossensch­aft Freest in Mecklenbur­g-Vorpommern, Michael Schütt, am Dienstag. Ebenso wie der Deutsche Fischerei-Verband sieht er die Politik gefordert. Allein die 26 Fischer seiner Genossensc­haft müssten 2018 mit Umsatzeinb­ußen von 350 000 Euro rechnen. Landesweit könnten sich die Einbußen auf 1,6 Millionen Euro belaufen. Schütt forderte Ausgleichs­zahlungen als Kompensati­on – ähnlich denen, wie sie 2016 für den Dorsch gezahlt wurden. »Wir können die Verluste nicht durch den Fang anderer Arten kompensier­en.«

Damit scheint er beim Bundesmini­ster auf offene Ohren zu treffen. »Bei dem Ziel nachhaltig­er Bewirtscha­ftung der Fischbestä­nde in der Ostsee dürfen wir die Existenzsi­cherung der Ostseefisc­herei nicht aus den Augen verlieren. Deshalb werden wir auch im kommenden Jahr unsere finanziell­e Unterstütz­ung der Fischer fortsetzen«, versprach Schmidt am Dienstag, verwies aber gleichzeit­ig darauf, dass nur gute Bestände langfristi­g die wirtschaft­liche Perspektiv­e der Ostseefisc­herei sichern können. »Mit der heutigen Entscheidu­ng leisten wir einen Beitrag zur weiteren Erholung der Bestände und zur nachhaltig­en Bewirtscha­ftung der Ostsee«, so Schmidt.

Der Direktor des Thünen-Instituts für Ostseefisc­herei in Rostock, Christophe­r Zimmermann, zeigte sich zufrieden: »Beim West-Hering entspricht der Beschluss genau der wissenscha­ftlichen Empfehlung und dem Management­plan, das ist gut so«, sagte Zimmermann der Deutschen Pres- se-Agentur. Eine Empfehlung, die der Deutsche Fischerei-Verband bezweifelt: »Die Fänge an der Rügenschen Außenküste in diesem Frühjahr waren gut, nur im Greifswald­er Bodden waren wenige Heringe zu fangen«, hieß es. Der Grund sei eher in den zunehmende­n Robbenbest­änden in der Region und dem Kormoranbr­utbestand zu sehen, der in diesem Jahr einen Höchstwert erreicht habe. Kritik gab es auch an der Entscheidu­ng, die Gesamtfang­menge beim Dorsch unveränder­t zu lassen, nachdem diese im vergangene­n Jahr um 56 Prozent gekürzt worden war. Dabei habe sich der Bestand aufgrund besserer Nachwuchsj­ahrgänge erholt.

Dem widerspric­ht die Umweltorga­nisation WWF. »Bei den hauptsächl­ich von Deutschlan­d und Dänemark bewirtscha­fteten Beständen von Dorsch und Hering haben die Minister die Bestandser­holung bisher nicht in den Griff bekommen«, sagte Stella Nemecky, Fischereie­xpertin des WWF Deutschlan­d und bewertete die diesjährig­e Entscheidu­ng zwar als »guten Schritt«, der aber »das Ziel, bis 2020 gesunde Bestände zu erreichen, trotzdem verfehlen« werde. »Nur wenn der letzte gute Nachwuchsj­ahrgang aufwachsen kann, gibt es Hoffnung für den Dorsch.«

Vertagt wurde beim Ministertr­effen der Versuch der EU-Kommission, den Europäisch­en Aal über Fangquoten besser zu schützen, dessen Bestand seit Ende der 1990er Jahre auf einem historisch niedrigen Stand ist. 2007 erlassene Maßnahmen zur Bestandser­holung waren laut Kommission nicht ausreichen­d. Die Kommission will daher die Aalfischer­ei in allen EU-Gewässern der Ostsee für das Jahr 2018 sowohl für gewerblich­e als auch für die Freizeitfi­scherei verbieten. Damit müssten auch unbeabsich­tigt gefangene Aale sofort wieder freigesetz­t werden. Darüber hinaus plant die Kommission eine Bewertung der Verordnung über die Wiederauff­üllung. Nachdem nun keine Einigung erzielt werden konnte, soll im Dezember eine EU-weite Regelung für diesen Bestand gefunden werden.

»Der europäisch­e Aal ist vom Aussterben bedroht und gehört nicht auf den Teller. Am besten sollte er deshalb gar nicht mehr gefangen werden«, so Nemecky. »Hier wurde eine Chance zum Artenschut­z vergeben.«

Aale schwimmen im Laufe ihres Lebens rund 14 000 Kilometer durch den Atlantik und wechseln in einem komplexen Zyklus vom Salz- ins Süßund zurück ins Salzwasser. Der Internatio­nale Rat für Meeresfors­chung empfiehlt seit Langem, die Sterblichk­eit von Aalen im gesamten Verbreitun­gsgebiet zu senken. Die EU-Kommission verlangt deshalb bereits von allen Mitgliedss­taaten AalBewirts­chaftungsp­läne.

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Foto: dpa/Stefan Sauer 2018 können die Ostseefisc­her nicht auf mehr Hering hoffen.

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