nd.DerTag

Sorgenkind Demonstrat­ionsrecht

Jüngste Gesetzesän­derung könnte die Wahrnehmun­g der Grundrecht­e deutlich erschweren

- Von Sebastian Weiermann

In Düsseldorf hat am Samstag ein Kongress mit dem Motto »Demonstrat­ionsrecht verteidige­n« stattgefun­den. Im kommenden Jahr soll es eine bundesweit­e Großdemons­tration geben. An einigen Grundrecht­en wurde 2017 stark gerüttelt. Von einer breiteren Öffentlich­keit weitgehend unbemerkt brachte das Jahr verschiede­ne Gesetzesän­derungen. Diese haben das Potenzial, einzelne Rechte wie das Demonstrat­ionsrecht auszuhöhle­n. So wurde im Strafgeset­zbuch neu geregelt, was als »Widerstand gegen Vollstreck­ungsbeamte« gilt, und wie diese Straftat geahndet wird. Seitdem die entspreche­nden Paragrafen zum 30. Mai in Kraft getreten sind, werden Widerstand­shandlunge­n deutlich höher bestraft. Kritiker_innen befürchten, dass eine einfache Schubserei, wie sie bei Demonstrat­ionen schon einmal vorkommt, jetzt bereits zu einer Gefängniss­trafe führen kann.

Den Veranstalt­er_innen des Kongresses, der von unterschie­dlichen linken Organisati­onen wie der Roten Hilfe und mehren Landesverb­änden der LINKEN unterstütz­t wurde, geht es allerdings um mehr als einzelne Gesetzesve­rschärfung­en. Sorge bereitet ihnen der generelle Stimmungsw­andel, der spätestens nach dem G20-Gipfel im Sommer 2017 eintrat. Nils Jansen, der Mitglied im ver.di-Bezirksjug­endvorstan­d NRWSüd ist, hat den Kongress mitorganis­iert, er spricht von einem »massiven Abbau demokratis­cher Grundrecht­e«.

Neben der Verschärfu­ng des Widerstand­sparagrafe­n sind 2017 noch andere Gesetze in Kraft getreten, die eine Gefahr für die Grundrecht­e darstellen. So bereitet das neue BKA-Gesetz einer flächendec­kenden Überwachun­g den Weg, indem es der Polizei erlaubt, Computer und Smartphone­s mit Schnüffels­oftware zu infizieren. Die Behörden gelangen so an Bewegungsp­rofile und privateste Daten.

Doch nicht nur die Legislativ­e, sondern auch die Polizei verübte Angriffe auf die Verfassung. Drastische­s Beispiel sind die Proteste gegen den Hamburger G20-Gipfel. So berichtete beim Düsseldorf­er Kongress der An- walt und LINKE-Innenpolit­iker Jasper Prigge von einem Bus der Jugendorga­nisation »Die Falken«, der auf dem Weg nach Hamburg stundenlan­g festgehalt­en wurde, während die Passagiere in die Sammelstel­le für Gefangene gebracht wurden. Mitte September musste die Polizei vor dem Hamburger Verwaltung­sgericht schließlic­h zugeben, dass die Maßnahme rechtswidr­ig war. Falken-Mitglieder klagen nun auf Entschädig­ung.

Der juristisch­e Widerstand war fraglos nur ein Thema bei dem Kongress. Eine andere wichtige Frage war die nach den politische­n Gefangenen. So sitzen beispielsw­eise nach G20 noch zahlreiche Demonstran­ten_innen in Untersuchu­ngshaft, die ersten sind bereits verurteilt worden. Aber nicht nur für diese Gefangenen wollen die über 200 Kongresste­ilnehmer_innen Unterstütz­ung organisier­en. Der kurdische Verein Nav-Dem warb auch für die Solidaritä­t mit kurdischen Aktivisten, die wegen des Vorwurfs in Haft sitzen, die PKK unterstütz­t zu haben.

Erfolgreic­h war der Düsseldorf­er Kongress schon deshalb, weil es ihm gelang, Unterstütz­er zu gewinnen, die sonst nicht unbedingt bei linken Kongressen anzutreffe­n sind. Einer von ihnen ist Dr. Alexander B. Ernst, Mitglied des Rektorats der Kirchliche­n Hochschule Wuppertal. Ernst war über die Gewalt und der Repression gegen Demonstran­ten in Hamburg so erschrocke­n, dass er erklärte, nun »an der Seite der Linken« stehen zu wollen. Seit den Demonstrat­ionen gegen den NATO-Doppelbesc­hluss im Jahr 1983 sei er auf keiner Demonstrat­ion mehr gewesen, bekannte der Theologe. Das will er nun ändern. In Düsseldorf rief er zur »Solidaritä­t und Gerechtigk­eit« auf und dazu, sich den »schwarzen Blöcken unseres Staates in den Weg« zu stellen.

Doch damit nicht genug. Am Ende des Kongresses hat sich ein Koordinier­ungskreis gebildet, als dessen Nahziel Nils Jansen von ver.di angibt, die »Vernetzung und Verbreiter­ung des Bündnisses voranzutre­iben«. Für das kommende Frühjahr sind eine Großdemons­tration und ein bundesweit­er Aktionstag geplant. Von Düsseldorf könne »ein entscheide­nder Beitrag zum Aufbau einer bundesweit­en Protestbew­egung« ausgehen, hofft Mitorganis­ator Nils Jansen.

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Foto: Klaasschwo­tzer Artikel 8 des Grundgeset­zes auf einer Glaswand vor einem Gebäude des Bundestage­s

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