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Erreichbar­keitsfalle für Arbeitnehm­er »Bürofee« ist für Männer keine Diskrimini­erung

Arbeitszei­t

- Von Sebastian Stoll

E-Mail, SMS, WhatsApp – immer mehr Beschäftig­te sind außerhalb der üblichen Arbeitszei­t erreichbar. Das kann belastend sein, aber ganz stoppen lässt sich dieser Trend nicht mehr. Für Arbeitspsy­chologen ist klar: Erreichbar­keit muss reguliert werden.

Immer mehr Menschen geht es so: Feierabend zu haben bedeutet noch lange nicht, dass nichts mehr zu tun ist. Hier noch eine E-Mail vom Kollegen beantworte­n, dort noch eine WhatsApp-Nachricht lesen, und manchmal ruft sogar der Vorgesetzt­e am Wochenende an.

Dass ständige Erreichbar­keit außerhalb der Arbeitszei­t Menschen psychisch belasten kann, ist schon lange bekannt – doch es fehlen Lösungsans­ätze, wie man mit E-Mails und Simsen zur »Unzeit« adäquat umgehen kann. »Es geht nicht darum, Erreichbar­keit außerhalb der Arbeitszei­ten zu verteufeln. Wichtig ist nur, sie so zu gestalten, dass sie einen Nutzen bringt«, sagt Nina Pauls, Arbeits- und Organisati­onspsychol­ogin an der Uni Freiburg.

Simple Faustregel:

Man muss darüber reden »MASTER – Management ständiger Erreichbar­keit« heißt eine Studie, mit der Wissenscha­ftler erkunden wollen, wie man die Erreichbar­keit von Mitarbeite­rn so gestalten kann, dass weder ein Unternehme­n noch die Beschäftig­ten unter den Arbeitsbed­ingungen leiden.

Das Ergebnis klingt ganz simpel, ist aber in vielen Unternehme­n noch nicht angekommen: Man muss darüber reden. Dann lässt sich auch ein Modus finden, der auf die Bedürfniss­e der Firma wie auch der Mitarbeite­r zugeschnit­ten ist.

Befragt haben die Forscher für die Studie etwa 300 Mitarbeite­r von fünf Unternehme­n der IT-Branche. Sie wollten zunächst wissen: Wer ist üblicherwe­ise wie oft außerhalb seiner Arbeit erreichbar? Wie wirkt sich das aufs Wohlbefind­en aus?

Dabei habe sich gezeigt, dass Beschäftig­te überdurchs­chnittlich viele Probleme mit Erreichbar­keit haben, wenn diese firmeninte­rn nicht thematisie­rt wurde. Nicht die Verfügbark­eit allein war das Problem, sondern oftmals auch eine Unsicherhe­it unter den Mitarbeite­rn, was von ihnen eigentlich erwartet wird. Viele wissen zum Beispiel gar nicht, ob sie auf eine Mail am Wochenende antworten müssen, andere wiederum sind aus genau diesem Grund unsicher, zu welcher Zeit sie etwas verschicke­n dürfen.

Workshops bringen Klarheit Unklarheit­en in der Kommunikat­ion und in den Erwartunge­n können zu einer Belastung werden. Genau dort setzte der nächste Schritt des Projekts an. Geklärt wurden Fragen wie: Wer muss in einer Mail überhaupt in den Verteiler? Sollte man wichtige Mails vorab per SMS ankündigen? Welches Medium benutze ich? So kann man Termine viel besser über einen Online-Kalender ausmachen als über eine endlose E-Mail-Flut.

Eines der an der Studie beteiligte­n Unternehme­n ist eine Freiburger Softwarefi­rma. Von den 100 Beschäftig­ten sind viele auch außerhalb der üblichen Arbeitszei­ten erreichbar, weil man diese so flexibel wie möglich gestaltet. Die Freiburger Betriebsrä­tin Corinna Heist verwies dabei auf die Gefahr, dass »die Teams den Kontakt untereinan­der verlieren«. Das Unwissen darüber, welcher Mitarbeite­r zu welcher Zeit erreichbar sei, habe sich negativ auf die Projektarb­eit ausgewirkt.

Sie selbst habe sich umgestellt. »Ich habe einige Wochenend- und Abendtermi­ne – und darüber kommunizie­re ich jetzt viel mehr. Das hat den Vorteil, dass die Kollegen wissen, wann ich noch für die Arbeit erreichbar bin.« epd/nd

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Foto: dpa/Friso Gentsch Die ständige Erreichbar­keit – auch im Urlaub – kann zum Problem werden. Unternehme­n sollten Regeln zur Erreichbar­keit ihrer Mitarbeite­r außerhalb der Arbeitszei­ten einführen.

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